Kultur: Viel Blech
Konzert des Collegium musicum
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„American Music“ bedeutet Rhythmus, auch jede Menge gesteigertes Forte, vor allem aber viel Blech. Das Collegium musicum Potsdam stellte vier Komponisten dieser Art transeuropäischer Tongestaltung im vollbesetzten Bethlehem-Saal vor. Neben klassischen Werken kümmert sich das semiprofessionelle Ensemble ausdrücklich um zeitgenössische und selten zu hörende Werke. Unter der Leitung von Knut Andreas erklangen Stücke von Gottschalk, Addinsell, Goldsmith und Gershwin, die zugleich einen Einblick in 150 Jahre US-Musikgeschichte gaben. Das Publikum, viele Kinder darunter, belohnte die Beiträge mit viel Applaus, nach jedem Finale gab es eine stehende Ovation.
Louis Moreau Gottschalks „A Night in the Tropics“ von 1859 machte den Anfang. Als „zweisätzige Sinfonie“ mit einem Andante und Allegro moderato gezirkelt, dürfte sie schon damals etwas außerhalb des kontinentalen Formverständnisses gestanden haben. Die beiden Sätze wirken nicht besonders homogen: Ein von Hörnern, Streichern und Flöte mit Sanftmut gestalteter Introitus schildert ein seltsam idyllisches Bild von den Tropen. Feine Trompeten-Vibrati, bis in heroischem Marschtritt ein Grummel-Gewitter heranzieht. Als es verflog, scheint alles wie zuvor, wäre da nicht die leichte Schräglage der Blechbläser gewesen. Lautmalerei modern. Das Allegro wirkte trotz der verschachtelten Motive frisch, dynamisch, leicht, zumal ein lateinamerikanisches Tanzmotiv auch die Zuschauer in Bewegung brachte. Grand Finale, Beifall.
Der 1977 verstorbene Richard Addinsell, galt als erfolgreicher Filmkomponist der West-Küste. Sein „Warschauer Konzert für Klavier und Orchester“ in einem Satz lehnt sich „bewusst stark an Rachmaninows 2. Klavierkonzert an“. Kenner wissen den Anteil des Russen am „weltberühmten“ Opus des US-Amerikaners zu identifizieren. Filmmusik für „Dangerous Moonlight“ zuerst, eroberte es mit dem Solisten Ralf-Torsten Zichner nun auch den Bethlehem-Saal, wobei der Flügel dem etwa 50köpfigen Orchester weite Strecken der Partitur überließ. Nicht unbedingt überzeugend der dumpfe, teils auch comode Ton in der Darstellung, die Unsicherheit mancher Einsätze. Sie schloss mit einem finalen Doppelschlag ab. Blumen dem Solisten.
Nach der Pause gab es die von Calvin Custer arrangierte, ziemlich pompöse Suite „Startrek Trough The Years“, ein Zusammenschnitt von Fernseh- und Kinofilmen, die von ganz unterschiedlichen Komponisten beliefert wurden. Das meiste stammt von Jerry Goldsmith. Im Gegensatz zu ihrem schneidend-scharfem TV-Pendant beginnt er ausgesprochen sanft, lässt es sich aber im Verlauf doch nicht entgehen, Pauken, Trompeten, Hörner, Becken zu einem heroischen Opus auf den raumfliegenden Menschen zu vereinen, worin das „Inner Light“ etwas verblasste. Dieses lautstarke „Gemälde“, vom Collegium musicum gut bewältigt, fand seinen Beifall in vergleichbarer Tonstärke. Letzter Teil George Gershwin in einem Medley bekannter „Porgy und Bess“-Melodien, 1942 zusammengestellt von seinem Freund Russell Bennett. Sehr bedacht und kultiviert angelegt, bekamen die Solo-Instrumente ihre wohl ruhendste und schönste Gestalt des Abends.
Trotz einiger Schwächen hat man für diesen Einblick in die US-Musikwelt zu danken: Viel Adaption, viel Zusammenschnitt, viel Blech zur Heroisierung des Menschen – es ist ja dieselbe Art, wie sich die Neue Welt auch außerhalb der Konzertsäle ausdrückt. Gerold Paul
Gerold Paul
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