Kultur: Viel Jubel – wenig Gefühl
Die Singakademie Potsdam mit Französischem im Nikolaisaal
Stand:
Bekannt geworden sind sie als Opernkomponisten. Georges Bizet mit seiner „Carmen“, Charles Gounod mit seiner „Margarethe“. Doch beide Tonsetzer konnten auch Kirchenmusik: nicht viel, aber immerhin. Der Frühjahrsauftritt des Sinfonischen Chors der Singakademie Potsdam am Samstag im Nikolaisaal gab unter dem Motto „Französische Impressionen“ davon Kunde. Mit einem schmetternd vorgetragenen Maestoso eröffnet sich das Bizetsche „Te Deum“, eine klangüppige Vertonung des liturgischen Textes des Ambrosianischen Lobgesangs.
In ihr findet sich kaum religiöses Empfinden, dafür umso mehr Elemente der Opernmusik, die jedoch schon zur Entstehungszeit 1858 kaum in einen sakralen Raum passen wollten. Hymnischer Jubel, getreu der Devise „In der Kraft liegt unsere Stärke“, wird von den Musikern des Deutschen Filmorchesters Babelsberg und aus kernigen Kehlen der Chorsänger fortissimo in den Saal geschleudert. Unter Leitung von Thomas Hennig geht es von einer leidenschaftlich erregten Etappe zur nächsten. Geschmeidig klingt es dann nicht, glanzvoll schon eher. Befindet man sich dagegen in lyrischen Gefilden und Mezzoforte-Bereichen, können die Potsdamer Singakademisten auf ihr stimmliches wie gestalterisches Können vertrauen – dann klingt es einfach stimmig. Was allerdings nicht sehr oft vorkommt.
Den solistischen Tenorpart trägt Guillaume-François vor. Klein ist seine lyrische Stimme, eng in der Höhe. Oft wird er von den chorischen und orchestralen Klangmassen regelrecht zugedeckt. Diese Hürden kann dagegen die Sopranistin Ilona Nymoen mit leuchtenden und kräftigen Spitzentönen mühelos überspringen. Mit Empfinden, getragen von einer eingedunkelten, reizvoll schattierten Mittellage, trägt sie die Arie „Te ergo quaesumus“ als eine Gebetsszene à la Donizetti vor. Gefühlvoll wird sie von den Musikern begleitet, die eben nicht nur einen hell tönenden, klangschlanken und neutralen Einheitssound zu erzeugen verstehen. Doch der, gepaart mit staunenswerter Präzision im Zusammenspiel, bekommt der anschließenden Wiedergabe von Bizets C-Dur-Sinfonie (1855) außerordentlich gut. Zügig, charmant und leicht wie von Mozart/Haydnschem Geist erfüllt kommt sie detailverliebt daher. Bestechend klar und sauber klingt, was Thomas Hennig mit körperlichem Einsatz und fordernden Gesten den Musikern abverlangt. Doch auch hier scheint Gefühl erst an zweiter Stelle zu rangieren. Dafür entschädigt das seelenvoll geblasene Oboensolo im Andante-Satz mit seinem melancholisch-exotisch geprägten Thema. Orchesterbrillant eilt das Opus seinem quirligen Höhepunkt entgegen. Wie schön, dass Potsdam über ein weiteres, sehr achtbares Sinfonieorchester verfügt!
Das zeigt sich bei Gounods Messe solennelle zu Ehren der Heiligen Cäcilie, Patronin der Kirchenmusik, klanglich von einer ganz anderen Seite. Plötzlich kann es auch leise, geschmeidig und weich tönen, ohne sich von seinen schlackenfreien Spielintentionen zu verabschieden. Und so singt auch der Chor sanfter, facettenreicher und differenzierter davon, was Gounod nach effektvoller Theatermanier so überaus plastisch vertont hat. Das leichtgewichtige, aufeinander passend abgestimmte Solistenterzett wird von Eric Beillevaire (Bass) vervollständigt. Stürmischer Beifall dankt dem eigentlich verwegenen Unterfangen, mit den reputierlichen Kirchenchören der Stadt in Wettstreit zu treten. Das Wagnis hat sich gelohnt. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: