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Kultur: Viel Turbulenz im „Palazzo Diabolo“

Die Theatergruppe „Flutlicht“ des Offenen Kunstvereins präsentiert ihr neues Stück im T-Werk

Stand:

„Das geht so nicht weiter“, wettert die kleine Zirkusdirektorin mit dem großen Zylinder nach einer blassen Vorstellung hinter der Bühne. Besonders die beiden Clowns namens Faust und Auge waren mal wieder hundsmiserabel. „Bessert euch, sonst werdet ihr als Erste entlassen!“, sprach die Direktrice Lina Thyrolf und eilte von hinnen.

So beginnt die neue Produktion der altbewährten Theatermacherinnen Ulrike Schlue und Nikki Bernstein. Sie heißt „Palazzo Diabolo“ und versprach „ein Stück über Freundschaft und Verrat, mit Witz und Magie“. Die erste und die letzte Vorstellung waren am Wochenende im T-Werk, beide sehr gut besucht und mit starkem Beifall bedacht. Das selbstgeschriebene Stück erzählt mehrere Geschichten nach- oder miteinander. Eine handelt frei nach Goethe von einem Teufelspakt, welchem die Freundschaft der Clowns Faust und Auge (Carlo Bahra, Lasse Möbus) zum Opfer fällt, denn wo immer der Leibhaftige (Janosch Ansorge) auftaucht, trennt und spaltet er. Von Freundschaft, Hoffnung und Glaube hält er sowieso nichts. Faust lässt sich darauf ein, er hat fortan Erfolg. Auge indes wird gestrichen.

Sylvia Heilgendorffs Bühnenbild führt den Zuschauer auf die Hinterbühne. Ein Vorhang zur Manege projiziert Schattenspiele der auftretenden Personen von der anderen Seite, wo sich drei Kraftprotze und eine Diva (Lea Haßkerl) mehr oder weniger erfolgreich produzieren. Rechter Hand ein Riesenstuhl, nur per Leiter zu erreichen, auf ihm wachen vier beflügelte Engelchen über den Pakt, ohne dramaturgisch aktiv zu werden. In der Garderobe zur Linken wird Mephisto einen witzigen Rollentausch zwischen den Ankleidefrauen (Emely Petrasch, Shenja Liebich) und den Kraftakrobaten Ivaylo Tsekov, Richard Rabe und Niklas Moriena herbeizaubern, szenisch viel zu unterbelichtet.

Eine schlüssigere Geschichte haben erst die Puppenbau- und Puppenspielkünste von Nora Raetsch möglich gemacht. Jan Zschau und David Vagt spielten mit selbstgebauten Handpuppen, viel Geschick und Lakonik höchst vergnügliche Szenen von einem König und seinem „mental gestörten“ Diener. Klasse! Eine Technikergruppe (Bartholomäus Baumberg, Vincent Ristow) indes knebelte den ausgebuhten Auge, um selbst in die Rollen zu kommen. Durch eine feindliche Übernahme bringt sich Urian schließlich irgendwie in den Besitz des Unternehmens, deshalb der Name „Palazzo Diabolo“, doch hat er da wirklich noch Macht über die kopfstarke Truppe?

Viel Turbulenz also im gut fünfzigminütigen Varieté-Programm der Kindertheatergruppe Flutlicht. Man sah Lustiges und Trauriges, Phantasievolles und Sperriges, Gelungenes und Vernachlässigtes, da passte nicht jede Faust zu ihrem Auge. Natürlich gab es reuelose Versöhnung zwischen den Clowns, auch musste Mephisto in seine Höhle zurück, weil das Erdpersonal pfiffiger war als er selbst. Auch Hoffnung, Glaube und Freundschaft fanden kraft des witzigen, spielfreudigen Agierens der Kinder zu ihrem alten Stande zurück, doch insgesamt blieb vieles mehr behauptet als erspielt. Die wichtigsten Vorgänge wurden nur skizziert, viele Szenen standen wahrlich beziehungslos nebeneinander, der Ton war meist zu leise, es fehlte Struktur. Man hat schon sorgfältiger gearbeitete Inszenierungen dieses Regieteams gesehen. Ein flüchtiges Werk also. Ob da vielleicht der Hinkefuß selbst daran gedreht hat? Gerold Paul

Gerold Paul

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