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Kultur: Vielleicht zum letzten Mal

„Im Garten vorgelesen“ bei Familie Schulz-Fieguth

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Das Genießen währte nur kurz. Und es bekam auch etwas Absolutes.

In ihren Garten hatten Monika Schulz-Fieguth und Manfred Schulz am Sonntag geladen. Eines dieser seltenen Vergnügen, organisiert von der Urania, wo immer zum Sommer hin in und um Potsdam Privatleute unter dem Motto „Im Garten vorgelesen“ ihr grünes und blühendes Refugium öffnen. Das ist immer etwas Besonderes. Und im Fall von Monika Schulz-Fieguth und Manfred Schulz vielleicht sogar noch etwas mehr. Denn hier blickt der Gast hinauf auf den Heiligen See, aus der Perspektive der Seestraße, wie es einem sonst kaum noch vergönnt ist. Hinzu kommt, dass dieser Blick hinüber zum sogenannten Roten Haus ein oft gewähltes Motiv der Fotografin Monika Schulz-Fieguth ist und in zauberhaften Impressionen in ihrem Bildband „Der Heilige See am Neuen Garten“ zu erleben ist. Am Sonntag nun der Genuss pur, während die Schauspieler Hans-Jochen Röhrig und Moritz Führmann die Novelle „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann lasen und die Cellistin Gisela Richter und Rita Herzog am Klavier mit Werken von Elgar, Tschaikowsky, Rachmaninoff und Massanet musikalisch Akzente setzten. Doch bevor der Regen einsetzte und nach knapp 20 Minuten die Besucher in den Treffpunkt Freizeit umziehen mussten, hatte Manfred Schulz erklärt, dass dies wohl das letzte Mal „Im Garten vorgelesen“ bei der Familie Schulz-Fieguth gewesen sein wird. Eine persönliche Reaktion auf den Umgang mit Hasso Plattner in dieser Stadt, dessen Angebot, in der Innenstadt an der Stelle des Hotel Mercures eine Kunsthalle zu bauen, in den vergangenen Wochen zerredet wurde.

So saß man dann später im Dunkel des Theatersaals im Treffpunkt Freizeit, versuchte, sich den Panoramablick aus dem Garten der Familie Schulz-Fieguth zu vergegenwärtigen und reiste mit Hans-Jochen Röhrig und Moritz Führmann auf den Spuren Gustav von Aschenbachs nach Venedig, wo dieser bekannte und geachtete Schriftsteller an einer verhängnisvollen Leidenschaft, ja Liebe zugrunde geht. Es war das fast blinde Verstehen im Zusammenspiel von Röhrig und Führmann, das das Ironisch-Tragische in Thomas Manns meisterhafter Novelle mit treffender Leichtigkeit verband. Das Außergewöhnliche dieser fast schon perfekten Sprach- und Erzählbeherrschung von Thomas Mann wurde hier zu etwas Selbstverständlichem, Aschenbachs Verfall und Niedergang zu einem regelrechten Krimi. Da war viel Verständnis für die verhängnisvolle und aussichtslose Liebe, die Aschenbach förmlich zerfrisst. Die Kompositionen von Elgar, Tschaikowsky, Rachmaninoff und Massanet in der Interpretation von Gisela Richter und Rita Herzog ein licht-beschwingter Kontrapunkt. Es gab Momente an diesem Spätnachmittag, da ließ sich vergessen, dass man nicht im Garten, sondern im schattendunklen Theatersaal des Treffpunkt Freizeit saß. Und auf dem Heimweg, da schien wieder die Sonne. Dirk Becker

Am kommenden Sonntag, dem 15. Juli, liest um 15.30 und 19 Uhr im Hausgarten der Familie Foerster, Am Raubfang 6, Dagmar von Gersdorff aus ihrer neuen Biographie „Caroline von Humboldt“. Den musikalischen Rahmen gestalten Karin Liersch (Violoncello), Brigitte Breitkreuz (Gitarre) und Hannes Immelmann (Flöte). Weitere Informationen unter Tel.: (0331) 29 17 41

Dirk Becker

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