Kultur: Vielschichtige Melancholie
Mit „Come when I call“ war ein tiefes Eintauchen in Dowlands musikalische Welt zu erleben
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Diese Momente der Stille bleiben in Erinnerung. Das Nachwirken der Musik, der man nachlauschte, nach dem letzten Ton, mit angehaltenem Atem. Dazwischen lichte Momente voll Farbigkeit. Dowlands Fantasia Nr. 6 für Laute von Daniel Kurz mit Lebendigkeit und feinstem Humor gespielt, die einen an diesem Abend der Melancholie wirklich überraschen konnten.
„Come when I call“ war das Programm mit Musik des englischen Komponisten und Lautenvirtuosen John Dowland überschrieben, das am Montag und Dienstag in der Erlöserkirche zu erleben war. Geplant war dieses tiefe Eintauchen in die musikalische Welt des großen Melancholikers im elisabethanischen Zeitalter als Freiluftkonzert auf dem Q-Hof, der Spielstätte des Poetenpacks, am Park von Sanssouci. Doch wegen des unbeständigen Wetters hatten sich die Potsdamer und Berliner Musiker des „Consort of Melancholy“ für die Erlöserkirche entschieden. Eine Wahl, für die der Zuhörer dem Wetter und den Musikern dankbar sein konnte. Denn nur so war absolute Konzentration auf die Musik, ein von äußeren Begleiterscheinungen freies Zuhören möglich, um dem nuancenreichen Spiel und Gesang zu folgen.
Über zweieinhalb Stunden dauerte die Reise durch Dowlands Welt. Vier bis fünfstimmiger Gesang, ein Gamben-Consort, ein Flötistin und die Lautenisten Daniel Kurz und der 19-jährige David Leeuwarden, Musikstudent in Bremen, der diese Konzertprogramm organisiert und umgesetzt hat. Für eine Woche hatten sich die 13 Musiker in das Künstlerhaus auf Schloss Kannawurf in Thüringen für die Proben zurückgezogen. Wie intensiv diese Zeit genutzt wurde, war am harmonischen und äußerst dichten Zusammenspiel zu hören.
Viele Lieder Dowlands, darunter „Go Crystal Tears“, „Oh Sweet Woods“ und „Lady if you spight me“, prägten den Abend. Wobei ein Verzicht auf zwei oder drei Lieder im ersten Teil des Programms von Vorteil gewesen wäre, weil die Häufung solcher melancholischen Stücke schnell zu einer gewissen Beliebigkeit führen kann. Auch von den Gambisten, vor allem Valentin Oelmüller auf der Violone, hätte man sich anfangs ein beherzteres Spiel gewünscht, um so den vielschichtigen Gesang entsprechend zu tragen und Akzente zu setzen. Geschmacksache bleibt auch, ob die musikalische Darstellung der menschlichen Gemütszustände in der wunderbaren Komposition „A Humorous Pavin“ von Tobias Hume das eingefügte Maskenspiel und die Wortmeldungen der Musiker bedurfte. Doch sind dies nur kleine Randbemerkungen zu einem Dowland-Konzert, das die Vielschichtigkeit und den Reiz gepflegter Melancholie in ihrer musikalischen Schönheit zu kleiden wusste. Dirk Becker
Dirk Becker
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