Kultur: Vielseitige Künstlerin
Klaus Büstrin
Stand:
Am 22. September 2006 ist es soweit: Am Havelufer in der Schiffbauergasse wird sich der Vorhang des neuen Hans Otto Theaters öffnen. In unserer Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, dahinter und davor, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben Potsdams.
HEUTE: Rita Weber-Westphal
Sie gehörte zu den vielseitigsten Künstlerinnen des Hans Otto Theaters: Rita Weber-Westphal. Auf den Besetzungszetteln konnte man ihren Namen als Sängerin, Regieasissistentin und Regisseurin lesen. In der Spielzeit 1958/59 kam die junge Sopranistin an das Theater, wo sie in das Tournee Ensemble integriert wurde. Mit ihm reiste sie übers Land, in kleinste Städte und Dörfer, dort, wo in den fünfziger Jahren die Menschen noch nach Kultur hungerten. In schlecht beheizten Gaststätten, auf unzumutbaren Podien brachten Schauspieler, Sänger und das Orchester Werke der großen Weltliteratur auf die Bühne. Mehrmals in der Woche war man im Omnibus in der Prignitz oder im Fläming unterwegs.
Das Schöne war, dass man viel singen und spielen konnte, stellt die Sängerin heute fest. Und es war eine wunderbare Gemeinschaft. Dies war nicht unwichtig, denn schließlich waren die Künstler und die anderen Mitarbeiter stundenlang aufeinander angewiesen, mussten durch Dick und Dünn gehen. Eine große Palette des Musiktheater-Repertoires konnte die Sopranistin in diesen Jahren singen, in Opern, Operetten und musikalischen Lustspielen. Anfang der sechziger Jahre wurde das Tournee Ensemble aufgelöst, weil man meinte, dass das schnell entwickelnde Fernsehen die Zuschauer der Dörfer und kleinen Städten mehr anziehen würde als Theateraufführungen.
Rita Weber wurde in das Musiktheaterensemble des Stammhauses in der Zimmerstraße übernommen. Ihre Spiel– und Singfreude waren erfrischend. Sie konnte wunderbar in die Charaktere der Personen, die sie darstellte, hineinschlüpfen, immer mit dem erforderlichen Geschmack. Unvergessen sind beispielsweise ihre Despina in Mozarts „Cosi fan tutte“, die Papagena in der „Zauberflöte“ oder die Titelpartie in Offenbachs „La Pèrichole“. Mitte der der sechziger Jahre blieben Aufgaben, die sie künstlerisch forderten, weitgehend aus. Sie beendete ihr Potsdamer Engagement und ging an das Theater der Lutherstadt Wittenberg. Dort wurde sie mit wunderbaren Partien betraut und konnte sich ihren Traum erfüllen, als Regissseurin zu arbeiten.
Da die Familie weiterhin in Potsdam wohnte, wurde es immer komplizierter, die Arbeit in Wittenberg mit dem Leben in Potsdam zu verbinden. 1971 kam sie an das Hans Otto Theater zurück. Die Intendanz hatte für Rita Weber keine „Planstelle“ als Sängerin mehr parat. Doch man bot ihr eine Regieassistenz mit Spielverpflichtung an. In den darauffolgenden Jahren saß sie nun neben dem Regisseur am Pult, musste sich im Probenprozess um die verschiedensten organisatorischen und künstlerischen Fragen kümmern. Und wenn mal ein Gast für einen erkrankten Sänger einsprang, war die Assistentin zur Stelle, um die notwendigsten Regieanweisungen zu übermitteln.
Besondere Freude bereitete es Rita Weber, wenn sie hin und wieder selbst am Regiepult sitzen durfte. Da konnte sie ihr fantasievolles Gespür für das Theater walten lassen. Man den ke nur an die zauberhafte Bearbeitung und Inszenierung für Kinder von Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“. 1981 verabschiedete sie sich vom Theater und ging an die Pädagogische Hochschule, um als Gesangspädagogin jungen Leuten das ABC des Singens beizubringen und sie für das Musiktheater zu begeistern.
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