zum Hauptinhalt

Kultur: Vier Saiten reichen ihm

Wolfram Huschke wieder im Waschhaus und wieder ein Ereignis

Stand:

Wolfram Huschke wieder im Waschhaus und wieder ein Ereignis Hat jemand schon mal die Zeit gemessen, wie lange es dauert, bis Wolfram Huschke seine Zuhörer im Griff hat? Bis man nur noch da sitzt und mit weit offenen Ohren staunt, was er dort auf seinem Cello fabriziert, wie er dabei, koboldhaft, Grimasse um Grimasse zieht? Minuten braucht Huschke wohl nur in den hartnäckigsten Fällen. Am Donnerstagabend, bei den knapp 40 Gästen im Waschhaus, war es eine Sekundensache. Huschke, eigentlich schon ein Stammgast an diesem Ort, betrat die Bühne, scherzte und spielte. Und schon saß man da und saugte auf wie ein trockener Schwamm, was dieser Querkopf auf dem altehrwürdigen-klassischen Viersaiter produzierte. Wolfram Huschke ist ein Phänomen. So einfach die Feststellung, so schwer die dazugehörige Erklärung. Man könnte mit seinem Ton beginnen, ob auf dem klassischen oder dem elektrischen Cello, den er an diesem Abend in alles Mögliche bog und zog. Ob Möwenkreischen, hämisches Lachen oder ohrenmalträtierende Motorengeräusche von schweren Maschinen, hat Huschke sein Cello beim Wickel, dann ist scheinbar nichts unmöglich. Oder man beginnt mit seinem respektvollen und so warm und tiefen Spiel, wenn er Bach interpretiert. Als Fünfjähriger hat er den ersten Unterricht am Cello genossen, war an der Spezialschule für Musik in Weimar so etwas wie eine Wunderkind. Bach hat ihn immer begleitet und geprägt. Und so sind seine Ausflüge in das streng Klassische vor allem auch Verbeugung vor dem Großen, von dem er noch immer profitiert. Egal wie man Huschke erklären will, letztendlich bleibt nur die Empfehlung hinzugehen und die Ohren weit aufzusperren. Und natürlich auch die Augen, denn Huschke ist nicht einfach nur Instrumentalist, sondern vor allem auch Erzähler. Ob das Glenn Gouldsche Brummeln und Schnaufen, wenn Huschke besonders dramatisch zur Sache ging. Sein Besuch von Außerirdischen oder die Neuauflage von „Die Schöne und das Biest“, Huschke war auch ein optisches Erlebnis. Und spätestens als er dann zum Elektrocello griff war klar, dass neben Bach auch Jimi Hendrix zu den großen Einflüssen dieses unorthodoxen Cellisten gehört. Was die mittlerweile nur noch drei Herren von Apocalyptica gemeinsam aus den Celli holen, das brachial Daherstampfende des Heavy Metal, mit elektronischen Effekten und der entsprechenden Lautstärke ließ Huschke Solo dieses ausgelassene Gewitter im Waschhaus toben. Nach zwei Stunden und mit der zweiten Zugabe entließ dieser sympathische Harlekin mit einer kleinen Schlafliedmelodie die Zuhörer aus seinem melodischen Griff. Ein paar leise Töne mit weichem Bogen auf dem akustischen Cello, raumfüllender war Huschke an diesem Abend nie. Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })