Kultur: Vierzig Jahre Bio-Produkte
Alfred Biolek kam mit bekannten Gästen in den Nikolaisaal
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Bio hat an der deutschen Fernsehgeschichte mitgeschrieben. Hat Rudi Carrell entdeckt und dessen Show „Am laufenden Band“ groß gemacht. In seinen Sendungen begannen Stars wie Hermann van Veen, Milva, Kate Bush oder Anke Engelke ihre Karriere. Immer „live“ und vor Publikum, das betont Alfred Biolek an diesem Abend im Nikolaisaal ganz oft. Und doch ist das Gefühl auf einer richtigen Bühne zu stehen, wie hier vor einem ausverkauften Haus, für Bio ganz neu. Er habe ja immer für die Kameras gesprochen, nicht so sehr für das Studiopublikum, bekennt er seinem Talk-Gast Dirk Bach. Die große Bühne ist ein ungewohntes Format für jemanden, der von sich sagt, keine Interviews, sondern Gespräche zu führen. Der seit 1994 in einer engen Fernsehküche mit Prominenten kocht und sein berühmtes „Mmmmh“ nach dem Probieren in Nahaufnahme auf die Bildschirme des Landes schickt.
Darum wohl sitzt Bio am rechten Rand und nicht in der Mitte. Auf einem Stuhl der Art, wie sie Regisseure besetzen. Heute Abend darf Alfred Biolek mit vielen kurzen Einspielungen aus den vier Jahrzehnten seines Schaffens der Regisseur seines Lebens sein. Der Anfang: Als junger Jurist beim ZDF eingestellt, bevor das Zweite überhaupt auf Sendung gegangen war. „Und wie kommt man so schnell als Jurist zur Unterhaltung?“, fragt Alfred Biolek stellvertretend für sein Publikum. Weil er so gut Witze erzählen konnte. „Alfred“, fragt gar nicht einstudiert der Pianist Rainer Bielfeldt, trotz seiner Jugend auch schon ein alter Freund des TV-Stars, „kannst du uns einen erzählen?“ Und Bio punktet beim Potsdamer Publikum mit einem Papageienwitz über Otto Grotewohl, was gar nicht selbstverständlich ist, da die meisten von Bios Gästen augenscheinlich wesentlich länger in der DDR gelebt haben als in der neuen Bundesrepublik und ihn wohl im verbotenen Westfernsehen kennen gelernt haben.
Bio kommt zunächst aus der Fernsehwelt nicht richtig heraus. Immer wieder geht das Licht aus, und dann steppt Bio auf der Leinwand mit den Kessler-Zwillingen, singt mit der damals jungen Caterina Valente oder jagt als Zirkusdirektor kleine Ponys durch die Manege. „Mein Traumberuf als Kind“, sagt Bio und zitiert aus seiner als Buch erschienenen Biografie. Seine Kindheit in Freistadt, vor der Vertreibung aus dem heutigen Tschechien, das wäre ein „verlorenen Paradies“ gewesen.
„Ich war kein Showmaster“, seufzt Bio fast bedauernd, „aber ab und zu habe ich mit dem Showbusiness ein wenig kokettiert.“ Alfred Bioleks jahrzehntelang anhaltender Erfolg erklärt sich genau so. Der immer ein wenig steif und förmlich aussehende Mann wirkte, als sei er aus Versehen zwischen all die Prominenz geraten. Sammy Davis Jr. , Yoko Ono, Franz Josef Strauß. Als habe er auf dem Weg zum Büro die falsche Tür geöffnet. So wurde Biolek quasselndes Bindeglied zwischen Zuschauern und Prominenten, lange, bevor Seicht-Talker wie Kerner und Beckmann ihn kopierten. Immer zwischen „U und E“, wie es Bio sagt, „das war mein Stil.“ Bei Schröder, Putin und Kohl, so der Vorwurf, wäre er immer „viel zu harmlos“ gewesen. Aber Fidel Castro, zu dem er über dessen Bruder Kontakt hätte haben können, wollte er nicht einladen. Der habe „zu viele Menschenleben auf dem Gewissen“. Nicht alles war wunderbar, aber damals gab es „nur drei Programme und die Fernbedienung war noch nicht erfunden“. Die zehn fiesesten Kritiken, die Pianist Bielfeldt vortrug, ertrug Bio nur mit Gehörschutz: „Nußknackermiene“, „notorischer Namedropper“ und „Schmusetalker“.
Mit dem Sänger Tim Fischer, dessen Karriere mit dem Auftritt in „Boulevard Bio“ 1990 richtig losging, plauderte sich Bio zunächst warm. Im Gespräch mit dem rundlichen Schauspieler Dirk Bach war Bio dann auch auf der Bühne angekommen. Denn hinter der grobkarierten Fassade des TV-Comedians holte er den versierten, ernsthaften Theaterschauspieler hervor, der lange Jahre zum Ensemble des Kölner Schauspielhauses angehörte. Und Bach, der sich selbstironisch „Teddykörper mit Teddybehaarung“ und „gut genährter Vegetarier“ nannte, konnte Bio bei mehreren beherzten Schlucken Weißburgunder lehren, was der Unterschied zwischen Theater und TV ist. Nämlich der Dialog mit dem Publikum, den Bach sogleich vormachte, indem er mit einer lustigen Geschichte von Harald Martenstein das Lachen des Saals entfachte.
Und dann juckt wieder das Showbusiness. Bio verabschiedet sich, wie schon zur Pause, mit einem Lied. „Was ist das Geheimnis deines Erfolges“, will der Pianist wissen. „Man muss Menschen einfach mögen“, singen vierzig Jahre Fernsehunterhaltung ihr Credo, „und das kriegt man dann zurück“.
Matthias Hassenpflug
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