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Kultur: Virtuos, filigran

Mandolinist Avi Avital und die Kammerakademie

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Es ist nicht alles Gold, was glänzt; nicht alles echt, was sich den Anschein gibt. Johann Sebastian Bachs angebliche Konzerte für Mandoline und Streicher gehören dazu. Im Gegensatz zu Barockkollegen wie Antonio Vivaldi, Domenico Scarlatti oder Johann Adolf Hasse, geschweige denn den Frühromantikern Johann Nepomuk Hummel oder Niccolò Paganini, hat Bach keinerlei Konzerte für dieses Zupfinstrument geschrieben. Was jedoch bisweilen unter dieser Bezeichnung segelt und auf Konzertpodien erklingt, gleicht bei näherer Betrachtung piratenhafter Aneignung anderer Notenware. Im speziellen Falle handelt es sich um Adaptionen von Violin- und Cembaloconcerti aus des Meisters Hand, die der israelische Zupfstar Avi Avital für seine neapolitanische Konzertmandoline (und um sein Repertoire aufzuhübschen) sehr stilsicher geschaffen hat. Bei einem umjubelten Schlosskonzert der Kammerakademie im Neuen Palais stellte er sie, begleitet von Streichern, dem erwartungsfroh gestimmten Publikum vor.

Die tonartgleiche Anpassung des a-Moll-Violinkonzerts BWV 1041 hat ihre Meriten. Das klare und kraftvolle Zupfen der vier Saitenpaare über flacher Decke und stark gewölbtem Boden hebt sich auf höchst originelle Weise vom reinen und weichen Klang der Streicher ab und ist dennoch in ihm wunderschön kuschlig eingebettet. Natürlich geht es bei allen vibratolos zu: Man weiß ja, was man dem Barock schuldig ist. Das Schönste jedoch ist, dass die Partner in allen schnellen Ecksätzen sich geradezu hemmungslos der Virtuosität hingeben. Und an dynamischer Feinarbeit genauso wenig sparen wie an raffinierten Veränderungen der Klangfarben.

Wobei Avi Avitals Spiel den Eindruck erweckt, als würde er gleichsam diverse Register einer Orgel oder eines Cembalo ziehen. Mit dem Plektrum, sicher und fast unsichtbar zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten, vollführt er die rasantesten Handarbeiten. Besonders in der Annäherung an das berühmte d-Moll-Cembalokonzert BWV 1052, dessen rastlose Bewegung mitunter an die herrische Ungeduld des Tonsetzers erinnert, die in Sanftmut mündet. Und diese wiederum findet sich, auf geradezu unnachahmliche Art und Weise erzeugt, in den Andante- und Largo-Sätzen wieder. Auch diese werden äußerst forsch und filigran vom Solisten gezupft, nie schroff, dafür sehr warm getönt. Auch im g-Moll-Pendant BWV 1056 frappiert, wie Avi Avital dem Cembaloklang, silbrig schimmernd, auf der gezupften Spur ist. Überraschend, wie sich im kantabel ausgesungenen Largo das klangsanfte Pizzicato der Streicher mit den zarten und wie zerbrechlich wirkenden Anrissarbeiten des Solisten mischt. Das Zusammenspiel zwischen ihm und dem Ensemble ist exzellent. Genauso wie das kammermusikalische Feingefühl von Bettina Lange (Flöte), Jan Böttcher (Oboe) und Matan Dagan (Violine) – assistiert von Christoph Knitt (Fagott), Anne Hofmann (Kontrabass) und Beni Araki (Cembalo) –, die sowohl in der e-Moll-Triosonate als auch dem G-Dur-Quartett aus der „Tafelmusik“ von Georg Philipp Telemann ausdrucksintensiv zu brillieren verstehen. Es sind gefällige und unterhaltsame Klänge, im anmutigen Wechselspiel vorgetragen: akzentbetont und daher spannungsvoll. Manche kecke Seufzermelodie ist darunter. Ein „dolce“-Satz erweist sich wahrlich als weich und süß, sanft und lieblich klingend. Viel Flottes und Leuchtendes gibt es allenthalben hier zu hören, ergänzt um manch Schwebendes und Schwingendes. Barockes kann so schön und natürlich klingen! Peter Buske

Peter Buske

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