Kultur: Virtuosität pur
Das Mozartensemble Berlin gastierte am Samstag mit Bach in der Potsdamer Friedenskirche
Stand:
Bach und Potsdam – das ist mehr als die legendenverklärte Begegnung von Johann Sebastian mit Friedrich II. und dem dabei erhaltenen Auftrag für das spätere „Musikalische Opfer“ über ein königliches Thema. Die Verzahnungen ins Brandenburgische sind viel diffiziler. Anno 1718 reist der Anhalt-Köthensche Kapellmeister und Kammermusikdirektor Bach nach Berlin, um für den Köthener Hof ein neues Cembalo zu kaufen. Dabei lernt er den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg kennen, Onkel des eher musenfeindlichen „Soldatenkönigs“, der in Berlin seine eigene Hofkapelle unterhält.
Bach spielt ihm vor und erhält den Auftrag, einige neue Kompositionen einzusenden. Die Arbeit daran zieht sich bis ins Jahr 1721 hinein, dann ist der Sechserpack der später sogenannten „Brandenburgischen Konzerte“ nebst Widmung an den Auftraggeber fertig. Doch der führt die Stücke nicht auf, bezahlt nicht, hält keinen Titel parat, bestellt nichts Weiteres. Ein Verlustgeschäft!
In Köthen kümmert sich Bach weiter um sein 16-köpfiges Orchester, dessen Mitglieder meist von der Berliner Hofkapelle kommen, die der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. 1713 aufgelöst hat: darunter drei Geiger, je ein Cellist, Kontrabassist, Oboist und Trompeter sowie zwei Flötisten. In genau dieser Besetzung spielt auch das von der Geigerin Min-Jung Kang geleitete Mozartensemble Berlin, das im Rahmen seiner Reihe „Klassische Konzerte in historischem Ambiente“ am Samstag in der überschaubar besuchten Friedenskirche den 1. Teil des Bach-Zyklus der „Brandenburgischen Konzerte“ musizierte, veranstaltet vom Verein „Musik in Brandenburgischen Schlössern“.
Zur Einstimmung in die programmanpreisenden „Perlen der Klassik“ gibt es zunächst die Händelsche Ouvertürensuite zur Oper „Atalanta“, ein Vorzeigestück für orchestrale Brillanz. Da können Flöte (Adelheid Krause-Pichler), Oboe (Ryoichi Masaka) und Trompete (Stephan Rudolf) nach spiellauniger Herzenslust wetteifern, assistiert von Streichern und der Continuogruppe. Man spielt auf modernen Instrumenten und pflegt dabei einen transparenten, hellen Ensembleklang. Mit allen Finessen barocker Überrumpelungstaktik spielt Susanne Ehrhardt, akrobatische Fingermeisterin auf der Ottavina, einer Sopranblockflöte, danach den Solopart in Vivaldis C-Dur-Concerto. Des durchdringenden, vogelzwitschernden Tirilierens ist in den schnellen Ecksätzen kein Ende. Im anschließenden 5. „Brandenburgischen“ BWV 1050 übernimmt das Cembalo (Sabina Chukurowa) mit eher verhalten angestimmten, dennoch rauschenden Klangkaskaden solchen Virtuosenpart. Querflöte und Violine sind adäquate Partner. Ein bestens aufeinander abgestimmtes Blockflötenduo nebst forsch streichender Solovioline bestimmt das 4. „Brandenburgische“ BWV 1049, dem die Leipziger Fassung des 2. Konzerts F-Dur BWV 1047a mit Corno da caccia statt Trompete folgt. Dieses Jagdhorn sorgt für eine strahlend glanzvolle Farbe und größere Transparenz des Gesamtklanges. Auch hier Virtuosität pur.
Bei allem perfektionistischen Streben der japanischen Künstler fehlt der Musik etwas, was übers pure Notenspiel hinausreicht: ein innerer Zugang zum Barocken. Schade auch, dass Cembalo, Geige und Flöte durch die hohe Luftfeuchtigkeit und Kühle des Kircheninneren mit Intonationsschwankungen zu kämpfen haben. Dennoch viel Beifall. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: