Kultur: Vision der Andenkultur Das Ecuadorianische Andenorchester
Ein Symphonieorchester der etwas anderen Art wurde vor fünfzehn Jahren in Ecuador gegründet. Es verwendet ausschließlich Instrumente aus den Anden, jener mächtigen Gebirgsformation, die sich durch den gesamten Westen des südamerikanischen Kontinents erstreckt.
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Ein Symphonieorchester der etwas anderen Art wurde vor fünfzehn Jahren in Ecuador gegründet. Es verwendet ausschließlich Instrumente aus den Anden, jener mächtigen Gebirgsformation, die sich durch den gesamten Westen des südamerikanischen Kontinents erstreckt. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Europa, in der Biosphäre in Potsdam, begeisterte das 40-köpfige „Orquesta de Instrumentos Andinos“ die rund 500 Zuhörer in der lichtdurchfluteten Orangerie mit exotischen Klängen eines zweieinhalbstündigen Programms.
Nur auf den ersten Blick ähnelt das Orchester einem klassischen Symphonieorchester. Dort, wo sonst die Streicher sind, sitzen Herren mit unterschiedlichen Gitarren in den Händen. Hinter ihnen befinden sich Musiker mit Flöten aller Art, vor allem die Panflöte in vielen Größen, die Quena (Andenflöte) und ihre Verwandten. Dahinter steht eine Rhythmusgruppe mit großen und kleinen Trommeln, Becken, Bongos, Bombones, Rasseln, einem Regenstab und einer Marimba. Dirigent Patricio Mantilla Ortega gibt die Einsätze souverän und präzise.
Das nur aus männlichen Musikern bestehende Orchester repräsentiert die Vielfalt von Ecuador mit seinen jahrhundertealten multikulturellen Traditionen. Schon zur Zeit der Inkas, der letzten indianischen Hochkultur in den Anden, kannte man Trommeln, Flöten, Panflöten und archaische Blasinstrumente. Von den spanischen Eindringlingen stammt dann die Gitarre, die heute überall in Lateinamerika in den unterschiedlichsten Formen verbreitet ist. Eine der bekanntesten im Andenraum ist der Charango, eine Art Ukulele, für deren Klangkörper ursprünglich der Körper eines Gürteltieres verwendet wurde. Kolumbianische Tiples, ecuadorianische Bandolines und Mandolinen ergänzen die Gitarrensektion. Marimba und einige Rhythmusinstrumente stehen für die besonders in Ecuador und dem benachbarten Kolumbien vorhandenen afrikanischen Einflüsse.
Außer einer originellen Adaptation eines Konzertes von Antonio Vivaldi für mehrere Andenflöten spielte das Orquesta de Instrumentos Andines überwiegend Kompositionen und Arrangements lateinamerikanischer Musik. Feierlich beginnt es mit der dreisätzigen Suite „Madre india“, die mit den weichen, dunklen Klängen der Panflöten die indianische Mutter besingt. Astor Piazollas Tango-Suite „Die vier Jahreszeiten“ klingt ungewöhnlich, aber durchaus überzeugend. Flöten hauchen und pfeifen zum Zittern, Flirren und Sirren der Gitarren, der Kontrabass grundiert dunkel, während die Marimba mit hölzernen Tönen kantig begleitet. Eigens für das Orchester komponiert wurde „Jakay Onkoy“, was in der Quechua-Sprache so viel wie „Fortgesetzter Schmerz“ bedeutet. Das als „Vision der Andenkultur“ angekündigte Werk beschwört in vier effektvollen Sätzen überwiegend düstere Klangbilder von Krieg, Trance und rituellen Tänzen.
Entspannung pur gibt es im zweiten Teil mit traditionellen Tanz-, Ernte- und Spaßliedern mit vornehmlich pentatonischer Harmonik. Das einzigartige lateinamerikanische Rhythmusgefühl und das Vergnügen am Feiern kam unter anderem beim „Toro barroso“ („Lehmfarbener Stier“), der „Zafra“ („Zuckerrohrernte“) und dem berühmten Lied aus der Hauptstadt von Ecuador, Quito, „El chulla quiteño“, voll zur Geltung.
Spätestens bei der tropischen Version des Mackie-Messer-Songs von Kurt Weill blieb keine Fußspitze im Saal mehr still. Selbst der Komponist hätte seine Freude an dieser tanzbaren Version gehabt. Ein gelungener Spaß mit dem spielerisch glänzenden, rhythmisch mitreißenden Ecuadorianischen Andenorchester, das für sein außergewöhnliches Konzert stehende Ovationen erhielt.
Babette Kaiserkern
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