Kultur: Vital und vielfarbig
Musikfestspiele: Cembalo-Rezital mit Gerald Hambitzer
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Musikfestspiele: Cembalo-Rezital mit Gerald Hambitzer Über die wahre Art, das Klavier zu spielen, schrieb Carl Philipp Emanuel Bach den Tastateuren einst ins Stammbuch: „Aus der Seele muss man spielen, und nicht wie ein abgerichteter Vogel.“ Es gilt wohl noch heute. Für den Cembalisten Gerald Hambitzer auf jeden Fall. Nicht nur, weil er bei seinem Musikfestspiel-Auftritt im Jaspissaal/Neue Kammern Bachs Sonata G-Dur Wq 56 Nr. 2 spielte, sondern weil er ein stilkundiger, erfrischend moderner Cembalist der jüngeren Generation ist. Jeglicher professoralen Aura abhold, eilt er schnellen Schrittes dem Cembalo entgegen und zur Tat. Auf dem Instrument, einer kräftig und voluminös klingenden Neupert-Kopie, entfacht er ein vitales, vielfarbiges, präzises und akzentbetontes Tastenfeuerwerk. Als Kenner der Materie spielt er Carl Philipp Emanuel Bach genauso aus der Seele heraus, wie er andererseits des Vaters Vivaldi-Transkriptionen von Geigenkonzerten – die Concerti D-Dur BWV 972 und F-Dur BWV 978 – ohne die Spur eindressierter Virtuosität in raschen Tempi musiziert. Den rauschenden Tutti stellt Hambitzer das Solo mit solcher klanglichen Delikatesse gegenüber, dass man die Solovioline zu vernehmen glaubt. Er spart nicht mit brillanten Eskapaden, wodurch manches Allegro fast zum Presto wird. An der wilden Hatz über Stock, Stein und Wurzelwerk, wie sie der Engländer John Bull (um 1562-1628) in seiner Szene „The King''s Hunt“ (Des Königs Jagd) beschreibt, lässt uns der Cembalist mit Halali-Wonnen teilhaben. Als eine Gebrauchsmusik entpuppt sich die „Uranie“-Suite d-Moll aus dem „Musicalischen Blumen-Büschlein“ des Badenschen Kapellmeisters Johann Caspar Ferdinand Fischer (1656-1746). Des Hüpfens und Springens, des Herzens und Spreizens, Kokettierens und Schreitens scheint in dieser Sammlung galanter Tanzstücklein fast kein Ende. Mit geradezu irrwitziger Fingerfertigkeit führt Gerald Hambitzer sie vor. Wie er ein Andante e cantabile und Allegro (beides in A-Dur) von Domenico Scarlatti klanglich apart und gefühlsbetont spielt, gleicht den Charakterporträts eines Melancholikers bzw. Sanguinikers. Dass bei diesem abwechslungsreichen Ausflug in Barockgefilde auch eine Novität ihren Uraufführungsplatz findet, spricht für die tabulose Metier-Sicht des Cembaloprofessors, der sich der Moderne nicht verschließt. Mit seinen vieldeutigen „Seven Gates To Wildness“ (Sieben Tore zur Wildnis) hat der Pole Milosz Bembinow (geb. 1978) dem Instrument gegeben, was es bedarf, um sich in bestem Licht zeigen zu können: rauschende Arpeggien, flinke Läufe, perlende Klangflächen, ausdrucksvolle Passagen – vor allem aber frönt das Werk dem Rausch der Geschwindigkeit. Der Spieler steht unter ständigem Hochdruck, um der Motorik, die sich auf minimalmusicalische Effekte gründet, zu entsprechen. Ein einzelner Buhrufer vermag den Uraufführungserfolg nicht zu trüben.Peter Buske
Peter Buske
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