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Kultur: Vokale Goldfäden

Österliches „Frühlingsahnen“ mit den Hallenser Madrigalisten

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Österliches „Frühlingsahnen“ mit den Hallenser Madrigalisten Von Peter Buske Die einen holen Ostersonntag, kaum dass die Sonne aufgegangen ist, Wasser von einer Quelle, ohne dass dabei ein Wort gesprochen werden darf. Dieses Osterwasser, mit dem man sich gegenseitig benässt, soll einen – so verheißt es der heidnische Brauch – ein Jahr lang frisch, jung und gesund erhalten. Die anderen gedenken am Ostersonntag der Auferstehung Jesu Christi, feiern die festliche Botschaft seines neuen Lebens, das sich in den Menschen selbst manifestiert. So hat dieser Tag, ob ihm nun weltlich oder religiös gehuldigt wird, Spuren hinterlassen. Auch in der Musik. Zum einen besingt man die aus dem Winterschlaf erwachende Natur und Liebe, zum anderen feiert man die frohe Nachricht von der Auferstehung. Für die Komponisten durchaus konträre, dennoch willkommene Gefühlsbefindlichkeiten. Gern gehen und geben sie ihnen nach. Die Fülle der Motetten und Madrigale, der Liebeshymnen und Psalmenvertonungen spricht dabei für sich. Aus diesem schier unerschöpflichen Fundus stellen die Hallenser Madrigalisten ein Programm zusammen, das sie „Frühlingsahnen“ nennen und am Sonnabend im leider nur mäßig besuchten Nikolaisaal einem Kreis von Kennern und Liebhabern offerieren. Sie tragen es a cappella vor – ihre Spezialstrecke seit 1963, als Studenten der Fachrichtung Musikerziehung/Musikwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle erfolgreich bei einem Alma-mater-Wettstreit debütieren. Aus den Studenten werden Lehrer und Lektoren, Schriftsteller, Komponisten, Schriftsteller und Chorleiter. So ist es bis heute geblieben. Und auch ihre Konzeption für Konzertprogramme haben sich seither kaum verändert. Madrigale und Motetten im ersten Teil, Chorsätze und Gesänge aus der Romantik bis Gegenwart. Der Abend im Nikolaisaal macht darin keine Ausnahme. Nach ihren langjährigen Dirigenten und künstlerischen Leitern Siegfried Bimberg und Andreas Göpfert haben die zehn Frauen und acht Männer mit Sebastian Reim (Ex-Kruzianer und Chorpräfekt unter Martin Flämig, ausgebildeter Kirchenmusiker und Tenor) erneut einen Könner des Metiers als einfühlsamen spiritus rector gewonnen. Ein Berufschor sind die Hallenser Madrigalisten nach wie vor nicht, auch wenn ihre exzellente Stimmkultur und fast beängstigende Reinheit der Intonation diesbezügliche Profession vermuten lässt. Virtuos und lebendig stürzen sie sich in das Abenteuer der mehrstimmigen Motetten wie „Exultate iusti in Domino“ von Ludovico da Viadana (um 1560-1627), mit dem die Zeitreise durch Epochen und Formen anhebt. Herrlich leicht und in gewissem Maße auch fröhlich verbreitet sich die Lobpreisung dieser Psalmvertonung. Anderes, wie beispielsweise Claudio Monteverdis „Cantate Domino canticum novum (Singet dem Herrn ein neues Lied) oder Heinrich Schützens „Die mit Tränen säen“, erklingt verhalten und etwas spröde, um dadurch den erforderlichen Redetonfall möglichst genau zu treffen. Diese Herbheit als gestalterische Klangfarbe setzen die Hallenser Madrigalisten oft ein. Doch nicht immer hört sich diese, von den Sopranen produzierte Höhenschärfe auch gut an. Im „Lerchengesang“ von Felix Mendelssohn Bartholdy und bei Johannes Brahmsens „Abendständchen“ fällt sie unangenehm in die Ohren. Bei allem Artifizellen ihres Gesangsstils, der Makellosigkeit der Stimmführung und der Präzision beim Zusammenklingen, ist ihr überaus textverständliches Singen dennoch von seelenerwärmender Eindringlichkeit und Schlichtheit. Man hört weiche Konsonanten und offene Vokale, genießt die nahtlosen Übergänge, begeistert sich an des Kammerchors Kunst, gleichsam vokale Goldfäden spinnen und kunstvoll verweben zu können. Sehr originell hören sich „Gloria“ und „Agnus Dei“ aus der Messe f-Moll op. 18 für vier Solostimmen und vierstimmigen Chor von Moritz Hauptmann (1792-1868) an. Dabei trumpft der Gesangverein geschmeidig auf, dient sich seinen stimmbeweglichen Solisten sozusagen als Begleitorchester an. Gefühlsinnig strömt der Hymnus „Ave maris stella“ (Meerstern, sei gegrüßet) des Norwegers Trond Kverno (geb. 1945), die dem sich die enorme Belastbarkeit und Tragfähigkeit der Stimmen im Pianissimo auf vortrefflichste offenbart. Mit Kurzweil angestimmt, eröffnet das bekannte Bekenntnis „O musica, du edle Kunst“ von Paul Peuerl (um 1575-1625) den lenzesnah geprägten zweiten Teil. Schütz meldet sich per Madrigal „Beim Anblick einer schönen Hand“ erneut zu Wort. Der Schumannschen „Zuversicht“ dagegen bleibt einiges an romantischer Inbrunst unerfüllt. Mit drei Zugaben verabschieden sich die Hallenser Madrigalisten von ihrem begeisterten Publikum.

Peter Buske

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