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Kultur: Voll ansteckender Begeisterung

Benefizkonzert der Städtischen Musikschule Potsdam zu eigenem Vorteil im Nikolaisaal

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Zu leisem Geigentremolo gesellt sich eine Klarinettenkantilene, dann sorgen Xylophonklänge, dunkle Töne von Kontrabässen und Violoncelli, den alsbald Bratschen verstärken, für Farbtupfer. Sie verschmelzen miteinander, entwickeln sich zu einem unaufhörlichen Klangfließen. Gisbert Näthers sinfonischer Prolog „Der unendliche Traum“ weiß in Bann zu ziehen. Er hat ihn für die spieltechnischen und ausdrucksgestalterischen Möglichkeiten des Jugendsinfonieorchesters der Städtischen Musikschule Potsdam anno 1995 komponiert. Seither ist das aparte Stück mehrfach vom Widmungsträger gespielt worden. In notwendigerweise stets wechselnden Besetzungen, denn ein Orchester dieser Couleur unterliegt ständigem Wandel durch personelle Fluktuation. Dennoch pflegt es auf geradezu wundersame, weil trainingsintensive Weise die künstlerische Kontinuität.

Sie war beim Benefizkonzert zu eigenem Vorteil am Freitag im Nikolaisaal erneut zu erleben. Unter Leitung von Jürgen Runge trumpften die Jungmusiker, fern jedes Laienhaften, tänzerisch beschwingt auf, verpflichteten sich auf ein homogenes und geschmeidiges Musizieren voller Frische und ansteckender Begeisterung. Kurzum, sie hatten die Absicht des Stück verstanden, verinnerlicht und sich so selber genützt.

In den „Sinfonischen Klängen zur Maienzeit“, dies der Titel ihres von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse unterstützten und von Schuldirektor Wolfgang Thiel moderierten Auftritts, konnten sie von ihren künstlerischen Intentionen, ihrer ungebremsten Spiellust künden – größtenteils auch überzeugend.

Mitunter jedoch, wie beim schwungvollen Auftakt mit der Mazurka aus Stanislaw Moniuszkos „Halka“-Oper, gingen ihnen gleichsam die Pferde durch, tobten sie gleich wilden Füllen über die (Klang-)Koppel, die „Zuchtmeister“ Jürgen Runge nicht bändigen konnte. Oder wollte? Sozusagen in gleißenden Sonnenschein tauchten sie die „Steppenskizze aus Mittelasien“ von Alexander Borodin. Ungestüm setzten sie sich später für die Naturschilderungen des 1. Satzes aus Antonin Dvoraks 8. Sinfonie G-Dur ein, deren Stimmungsumschwünge ihnen jedoch etwas erkünstelt gerieten. In das Programmgerüst aus Orchesterstücken waren Auftritte von preisgekrönten Schulteilnehmern am Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ eingebaut. Den Anfang machte die „Festfanfare für Hornquartett“ von Heinrich Wottawa (1867-1912), die Benjamin Barthels, Jonas Finke, Robert Rose und Bruno George sehr sicher, vollmundig und wohltönend intonierten. Auch die sinfonischen Dvorak-Beiträge profitierten von ihrem Können. Den Solopart der Ungarischen Rhapsodie für Violoncello und Orchester, eine virtuose bis sentimentale Wahlheimat-Hommage von David Popper (1843-1913) spielte Karoline Wulfert großen, romantischen Tons mit vielen schmachtenden Glissandi und draufgängerischen Attacken.

Dann betraten die Tastateure das Podium. Schade, dass Marina Woloshina die Poesie des Chopinschen c-Moll-Nocturne nicht genügend auszusingen verstand. Dagegen gelangen ihr die dramatischen Aufschwünge weit besser. Ausstrahlung ging von ihr allerdings kaum aus. Nach linkischem Verbeugen ging sie von der Bühne hinab ins Parkett. Auch Beifall entgegennehmen will gelernt sein! In Aram Chatschaturjans f-Moll-Toccata langte Artem Werwein kraftvoll zu, entfesselte ein von sentimentalen Ruhepausen unterbrochenes rhythmisches Feuerwerk. Eng wurde es auf der Klaviatur, als Christian Adler, Michèle Brix und Felix Schreyer sechshändig zwei Etüden von Friedrich Karl Wanek (1919-1991) spielten. Jeder beherrschte seinen Spielbereich, Übergriffe fanden nicht statt.

Dem pointierten Tastentanzen folgte der orchestrale Schlusspunkt, der zwischen Leidenschaft und Innigkeit musizierte 4. Satz aus Dvoraks 9. Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, bei dem Lungen, Lippen und Finger noch einmal all ihr Können vorzeigen konnten. Der Benefizerlös von 1800 Euro dient der Musikschule als Sockelbetrag für ein künftiges Spinett.

Peter Buske

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