Von Christina Siegfried: Voll Jauchzen
Weihnachtsoratorium mit dem Neuen Kammerorchester in der Erlöserkirche
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Der Besuch des Weihnachtsoratoriums gehört dazu. Man lässt sich mit der universalen Musik Bachs so recht auf die weihnachtlichen Feiertage einstimmen, horcht der Geschichte um die Geburt Jesu wieder und vielleicht auch wieder einmal neu nach und – summt innerlich vielfach die Chöre mit. Warum also nicht dieses innere Summen zum klingenden Bestandteil der Aufführung selbst machen? Was da auf der Hand zu liegen scheint, hat Ud Joffe am Samstag in der Erlöserkirche zum Besonderen der abendlichen Aufführung bestimmt. Und er scheint damit auf offene Türen gestoßen zu sein.
Nicht nur, dass die am Eingang bereitliegenden Chorstimmen von vielen zum Platz mitgenommen wurden, nein, auch zahlreiche Klavierauszüge und Taschen partituren waren mitgebracht worden. Freudig erregt erwarteten die Zuhörer in der vollbesetzten Kirche das Konzert, in dem sie mittun konnten – und dies dann auch aus vollen Herzen und Munde taten. Joffe drehte sich dirigierend jeweils bei den Chorälen zum Publikum. So blieb alles beieinander und gewährleistete einen reibungslosen musikalischen Ablauf. Doch darf dieses sympathische Experiment nicht die qualitätsvolle Aufführung des Bach’schen Werkes an sich übertönen, denn dies würde der Leistung der Potsdamer Kantorei, des Neuen Kammerorchesters Potsdam und der Solisten keinesfalls gerecht.
Schon mit dem Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ wurde klar, hier sollte frisch, agil, in schöner Klarheit und präziser Frische dem Geburtsfest des Heiland gesungen werden. Die Kantorei überzeugte mit rundem Chorklang, unangestrengtem Bewältigen von Fugati und Koloraturen in einem angenehmen, hellen Fließen. Die Sopranistinnen erwiesen sich in ihrem flexiblen Unisono als sensibler Partner des Basssolisten in „Er ist auf Erden kommen an“, und als himmlische Heerscharen in „Ehre sei Gott in der Höhe“ triumphierte das Ensemble stimmlich schön ausgeglichen und mit chorischem Stimmglanz in kraftvollem Gotteslob.
Das Neue Kammerorchester erwies sich einmal mehr als souveräner und gut disponierter Partner des Ganzen. Klanglich mit aller Klarheit und Beweglichkeit, immer dicht am Werk, dennoch frei in der Spielweise. Ohnehin, wenn auch auf modernem Instrumentarium gespielt, war Joffes Interpretation durchaus inspiriert von einer historisch informierten Aufführungspraxis, die schlank, unverkrampft, ohne Gefühlsduselei, dennoch mit viel Sinn für die Emotionen und dramatischen Momente der Partitur überzeugte.
Unter den Solisten stach mit uneingeschränkter stimmlicher Präsenz Bogna Bartosz hervor, die ihre drei Altarien zu Höhepunkten der Aufführung werden ließ. Gerade auch von ihr war wunderbar das Gleichgewicht zwischen freudiger Erregtheit in „Bereite dich, Zion“ oder gemütvollem Empfinden in „Schließe mein Herz“ gegeben. Als Sopranistin blieb Esther Hilsberg merkwürdig blass in ihren wenigen Soloaufgaben.
Evangelist Markus Schäfer überzeugte in seiner anspruchsvollen Partie ab dem Moment, als aus seiner anfänglichen leichten Hektik ein innerlich ruhiger, dennoch unverzögerter Vortrag wurde. Die angekündigte Unpässlichkeit von Egbert Junghanns hatte zwar eine verkürzte Variante seiner Glanzarie „Großer Herr, o starker König“ zur Folge, dennoch überzeugte der Bach-geübte Bassist mit schön-präsentem Ansatz.
Zum Ende traten einige Sekunden Stille ein, bevor ein wahrlich rauschender Beifall allen Beteiligten für diese gelungene Interpretation dankte.
Christina Siegfried
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