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Kultur: Voll Schnurren und Weisheit

Der Berliner Verein musikalisch-literarischer Soireen lud zum Chanukka-Fest

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Sieben Arme hat der bekannte heilige Leuchter Israels, Menorah genannt, Sinnbild der Juden, Abbild des Planetenhimmels und des archaischen „Lichtbaums“ dazu. Zum Chanukka-Fest brennen jedoch acht Lichter – an einem speziellen Chanukka-Leuchter. Er erinnert an die Wiederherstellung des jerusalemischen Tempels durch Judas Makkabäus (165 v. Chr.) . An acht Tagen im Dezember feiert man das Tempelweihfest. An jedem Tag wird ein Licht mehr entzündet. 2005 fällt das Datum jüdischer Mondrechnung mit dem Weihnachtsfest der Christen zusammen.

Der Berliner Verein für musikalisch-literarische Soireen im Alten Rathaus gedachte dieses vielleicht „schönsten jüdischen Festes“ am Sonntag mit Wort, Musik, Tanz und Gesang. Das Schweizer Ehepaar Elisabeth und Simon Jenni hatte mit der in Potsdam gut bekannten Künstlerin Johanna Arndt ein reichhaltiges Programm aus Liedern, Legenden, Sinnsprüchen und Szenen zusammengestellt, und der Herr unter den Damen, studierter Theologe evangelischen Glaubens, entzündete dazu jeweils ein Licht, bis im gut gefüllten Musikzimmer alle acht Chanukka-Kerzen brannten. Johanna Arndt übernahm die umfangreichen Textpartien, sang auch schöne Lieder in Jiddisch und Deutsch zur Gitarre, Elisabeth Jenni spielte auf der Geige und tanzte, zum Beispiel das Leid der schwarzen Rebecca im Warschauer Ghetto, fast wie Salome selbst. Ihr Gatte saß am Klavier, blies wundervoll ins Horn, er überbrückte die Programmfolge auch mit gesungenem, schwunghaftem Klezmer.

Man erlebte einen so engagierten wie warmherzigen Nachmittag, voll von Neuigkeiten, Schnurren, von Weisheit und temperamentvollen Tönen. Etwa: Durchs Fensterglas sieht man auf die Straße, im Spiegel sieht man sich selbst – eine dünne Schicht kostbaren Silbers verändert den Blick des Betrachters völlig. „Tumbalalaika“ war ein sehr eindrucksvolles Lied, genauso traditionell wie „Amol is gewen a masse". „Dos Kelbl“ (Text J. Katzenelson) besingt den Weg der Juden („dummes Kalb, das man binden und schlachten kann“) in ein KZ.

Aber es gab auch leichtere Kost chassidischer, also spanischer Juden, die Geschichte eines nach Marokko verschleppten Kindes, welches von einem jungen Mann befreit wird – ihrem unbekannten Bruder. König Salomo beantwortet in einem Sketch alle Fragen der Königin von Saba, bis sie sich vor seiner Weisheit beugt, Alexander der Große gelangt an die Pforte des Paradieses, wo ihm ein Stein zugeworfen wird. Erst ein jüdischer Weiser kann ihm erklären, was dieser Wink bedeutet: Warnung vor allzu großer Gier auf Erden. Das Ende der Welt, so erzählte Johanna Arndt, werde zwar kosmisch, letztlich aber von den Menschen bestimmt: Hörten die guten Taten je auf, so wird alles, Fluss oder Berg, „als seien sie niemals gewesen“.

Bevor die Chanukka-Kerzen (wer mag die achte verkörpern?) ausgeblasen wurden, gab es, zum Mitsingen und Mitklatschen, „Hava nagila“ und „Hevenu shalom alechem“ – Frieden für alle als ewiger Wunsch. Viel Beifall vom Parkett, aber nur Eingeweihte werden beurteilen können, wie „original“ diese Soiree tatsächlich gewesen. Die Künstler hatten es etwas eilig, nach Berlin ins BE zu kommen, wo man gerade „Die Juden“ gab.

So bleibt zu hoffen, dass auch in jüdischen Kreisen christliche Kultur verbreitet wird – wie umgekehrt. Gerold Paul

Gerold Paul

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