Kultur: Voller Fabulierlust
Das Dafo-Quartett brillierte beim „intersonanzen“-Ausklang
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Das Dafo-Quartett brillierte beim „intersonanzen“-Ausklang Blumen schon zur Pause – das erlebt das Dafo-Quartett sicher selten. Die überraschten jungen Damen haben sich die Sondergaben und den begeisterten Applaus aber redlich verdient. Sie sorgen für einen brillanten Abschluss des „intersonanzen“-Festivals für Neue Musik. Stilsicher vertiefen sie sich im Nikolaisaal in die Musiksprachen von fünf Komponisten. Keine leichte Aufgabe. Sie gelten als interessantes Nachwuchsquartett. Dabei sind sie doch längst ausgewachsene Künstler. Schon seit zehn Jahren bilden Justyna Duda, Danuta Augustyn, Kinga Marja Roesler und Anna Armatys eine eingeschworene Quartettgemeinschaft. Mit ihren sinnlichen, geistreichen und präzisen Interpretationen haben sich die Krakauerinnen einen guten Ruf erspielt und internationale Wettbewerbe gewonnen. Zwei Uraufführungen schmücken das Matinéeprogramm. Mit langsam fließenden Glissandi, hartnäckigen Tonwiederholungen und geisterhaft leisen Klängen, die die Grenze zum Geräusch ertasten, beschwört Gisbert Näther wechselnde emotionale Zustände herauf. Origineller, aber auch spröder als das zweite Streichquartett des Potsdamer Komponisten wirkt Pèter Köszeghys „Quadro Hungarico“. Der junge Ungar hat sich von Volksliedern und –tänzen aus seiner Heimat inspirieren lassen. Dabei klingt sein herbes Quartett alles andere als folkloristisch. Kleine Bruchstücke von Volksmelodien tauchen wie halberinnerte Gedanken auf. Nicht die Melodien, aber ihr Charakter prägen das Werk. Schmerz, Trauer und Wut entladen sich heftig im ersten Satz. Die Streichinstrumente stimmen einen ausdrucksstarken Klagegesang an, auch wenn das zu Grunde liegende Klagelied kaum auszumachen ist. Ebenso ist es mit dem ungarischen Kriegstanz im martialischen, aber keineswegs tänzerischen Finale. So sensibel und sorgfältig wie die Uraufführungen streicht das Dafo-Quartett auch die anderen Werke. Zum besonderen Höhepunkt wird Hans Schanderls erstes Streichquartett „Shimmering Warm and Bright“ aus dem Jahr 2001. Fantasievoll erkundet der Komponist verschiedene Spieltechniken und Klangfarben der Streichinstrumente. Da gibt es einen herrlich fragilen, gläsernen Flageolett-Satz und ein engmaschig schillerndes Geflecht, das persische Santurklänge und nigerianische Yorubarhythmen verarbeitet. Im langsamen Satz begeben sich die vier Musikerinnen auf die Suche nach einer Melodie. Kurze Fragmente fügen sich spielerisch zu längeren Einheiten zusammen. Die polnischen Künstlerinnen stecken voller Spontaneität und Fabulierlust. Sie streichen den Satz, als würden sie ihn gerade erfinden und gemeinsam entwickeln. Neben neuen Werken runden zwei ältere das Programm ab. Aus ihrer Heimat haben die Musikerinnen die beiden Quartette mitgebracht. Grazyna Bacewicz zählt zu den polnischen Komponistengrößen des 20. Jahrhunderts. Die Schülerin von Nadia Boulanger, die als Geigenvirtuosin international erfolgreich war, hat Tradition und Avantgarde in ihrer eigenwilligen musikalischen Handschrift vereint. Ihr viertes Streichquartett von 1950 verbindet weite Melodiebögen mit rhythmischer Vitalkraft und einer raffinierten Klangwelt. Das Dafo-Quartett konzentriert sich effektvoll auf den Humor und die Lebenslust in Bacewiczs Werk. Das Ensemble stimmt warme Saitengesänge an und dreht kräftig am Schwungrad. „Der unterbrochene Gedanke“ heißt das ungewöhnliche, aphoristisch knappe Quartett, das Krzysztof Penderecki als eine Art Kurz-Requiem für einen verstorbenen Freund geschrieben hat. Zu dem bedeutenden polnischen Komponisten haben die Musikerinnen eine besondere Beziehung. Schließlich hat er ihnen vor Jahren Mut gemacht mit den Worten: „Ich hoffe, dass in nächster Zeit das Quartett zu den besten sowohl in Europa als auch weltweit gezählt werden wird.“ Sonja Lenz
Sonja Lenz
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