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Kultur: Voller Innerlichkeit

Rossinis „kleine Messe“ in der Nikolaikirche

Stand:

„Meine Jünger werden richtig und mit Liebe deine Lobpreisungen und diese kleine Komposition singen, die leider meine letzte Todsünde meines Alters ist“, schreibt der tonsetzende Ruheständler Gioacchino Rossini im „Nachwort an den lieben Gott“ unter seine „Petite Messe solennelle“. Er komponiert sie zur Weihe der kleinen Kapelle, die zum Pariser Privathaus der Gräfin Louise Pillet-Will gehört, im März 1864. Auf diesen intimen Rahmen ist die Besetzung mit vier Solisten, zwei Klavieren und Harmonium abgestimmt.

Eine „kleine“ feierliche Messe? Sie bringt es immerhin auf stolze 100 Minuten Aufführungsdauer! Ende Mai vorigen Jahres gastierte mit ihr der Philharmonische Chor Esslingen in St. Peter und Paul. Nun stellt sich der Nikolaichor, unterstützt durch Jörg Strodthoff und einem nicht immer ausgewogenen Solistenquartett, mit Eifer den nicht unerheblichen Werkanforderungen. Geleitet wird die Aufführung von Nikolaikantor Björn O. Wiede vom Bechstein-Flügel aus. Das zweite Klavier ist eingespart, wobei dessen nur unterstützender Part vom Harmonium übernommen wird.

In dieser Besetzung – schließlich gibt es noch eine Orchesterfassung aus Rossinis Feder – fehlt der liturgischen Schöpfung bis auf wenige Ausnahmen die Repräsentationsgeste katholischer Kirchenmusik. Hier zieht sich der Maestro ganz auf einen schlichten, verinnerlichten, bisweilen sentimentalen Vokalstil zurück. Bravouröse Koloratur- und plappernde Parlandopassagen hörsucht man vergebens. Bis auf die Tenorhit-Ausnahme „Domine Deus“, die Ralph Eschrig höhenmühelos, kraftstrotzend und strahlend schmettert. Wie er, so treten auch die anderen Solisten zu ihrem Vortrag in die Nähe des vor den Altarstufen mittig postierten Flügels, ansonsten stehen sie als Stimmgruppenführer am Rande des Chores, singen dessen Part auch mit. Das gibt den Amateursängern viel Sicherheit, auch beim häufigen A-cappella-Gesang. Alle Beteiligten sind auf die von Innerlichkeit geprägte Wiedesche Lesart eingeschworen.

Verhalten erklingt das „Kyrie eleison“ durch weich und warm getönte Stimmen. Getragene Stimmungen bestimmen auch das „Gloria“, wobei dem „adoramus te“ (wir beten dich an) entsprechender Ausdruck verliehen wird. Um die Kehlen nicht zu überfordern, lässt der Kantor vieles im Mezzoforte singen. Doch der Chor kann auch anders: tänzerisch beschwingt, fast federnd setzt er im „Cum sancto spiritu“ und der sich anschließenden „Gloria in excelsis“-Fuge dem ersten Teil einen nahezu operalen „Akt“-Schluss. Davor trägt Bassbariton Sebastian Bluth mit angenehmer, lyrischer Stimme die „Quoniam, tu solus“-Arie vor, und auch danach gewinnen durch ihn die Quartett-Einwürfe aparte Klangfarbenzutaten.

Derer versagt sich die zuweilen angestrengt und unausgeglichen klingende Stimme der Sopranistin Katharina Richter. In den Arien („Crucifixus etiam pro nobis“, „O salutaris“) und dem „Qui tollis“-Duett mit dem Alt hätte eigentlich erblühen müssen, was stattdessen ihrer Kehle glanzlos entströmt.

Dagegen weiß die Altistin Bhawani Moennsad, die erst im März dieses Jahres in der Bachschen „Johannes-Passion“ unter Ud Joffe in der Erlöserkirche mitwirkte, mit geschmeidigem Vortrag und „mütterlichem“ Timbre für sich einzunehmen. Zu einem erschütternden, dramatischen Klagegesang gestaltet sie das abschließende „Agnus Dei“, dessen „Dona nobis pacem“-Bitte sich einem besänftigenden Ausgang verschließt. Sehr einprägsam. Wenig andachtsvoll hört sich das Klaviersolo des „Preludio religioso“ an, das Björn O. Wiede weitgehend trocken-nüchternen Tons und zu wenig differenziert spielt. Nach anfänglichem Zögern spenden die Hörer anhaltenden Beifall.

Peter Buske

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