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Kultur: Vom Gartenbau hin zur Propaganda Filmuniversität erforscht deutschen Dokumentarfilm

So neu ist der Trend zum „Urban Gardening“ also gar nicht: Der Dokumentarfilm „Vitamine an der Straße“ von Hans Cürlis aus dem Jahr 1946 gibt eine Anleitung zum Obst- und Gemüseanbau in der Großstadt. Frisches Grün war im zerbombten Berlin knapp.

So neu ist der Trend zum „Urban Gardening“ also gar nicht: Der Dokumentarfilm „Vitamine an der Straße“ von Hans Cürlis aus dem Jahr 1946 gibt eine Anleitung zum Obst- und Gemüseanbau in der Großstadt. Frisches Grün war im zerbombten Berlin knapp. Weil die meisten Städter wenig oder keine Erfahrung mit dem Landbau hatten, war Schulung notwendig. Die kam nicht zuletzt von dokumentarischen Lehrfilmen.

Wie diese aussahen, zeigt ein gemeinsames Rechercheprojekt der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, der Universität Hamburg und des Hauses des Dokumentarfilms Stuttgart. Das Vorläuferprojekt über den Dokumentarfilm in der Zeit von 1895 bis 1945 ist bereits abgeschlossen. Daraus entstanden ist ein Kompendium, in dem die Ergebnisse der Forschung festgehalten sind. Gerne hätten die Forscher auch eine DVD-Edition dazugestellt, aber dafür reichten die Forschungsmittel nicht. „Vielleicht gelingt es mit dem neuen Projekt,“ sagt Ursula von Keitz, Leiterin des Filmmuseums.

2020 soll das neue Kompendium über die „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945 – 2005“ erstellt werden. Das ambitionierte Projekt steht auch im internationalen Rahmen relativ allein dar. Zwar werde der Spielfilm in der Regel wissenschaftlich gut aufgearbeitet, für den Dokumentarfilm aber fehle eine entsprechende Systematisierung. Der medizinische Dokumentarfilm, der Gesundheitsfilm, der Aufklärungsfilm, das seien einige der Genres, nach denen sich das Forschungsprojekt aufgliedere, erklärt Thomas Weber von der Universität Hamburg. Gesichtet werden die Filme meist am Schneidetisch. Im Filmmuseum allerdings war schon eine Auswahl zu sehen.

Während die Gartenbauanleitung „Vitamine an der Straße“ ideologisch unverdächtig ist, erhält der Zuschauer in dem westdeutschen Film „Sowjetzone ohne Zensur“, gedreht 1956 von dem Filmemacher Johannes Pfeiffer, eine geballte Ladung westdeutscher Propaganda. Zunächst wird geschildert, welche bürokratischen Hürden überwunden werden mussten, um überhaupt in der „Sowjetzone“ drehen zu können. Dann wird gezeigt, wie schrecklich und entbehrungsreich das Leben in der von Russen überwachten Besatzungszone sei. Aufnahmen von Frauen bei der Feld- und Waldarbeit und bei der Grenzpatrouille müssen dafür herhalten, die Grausamkeit der DDR-Behörden und der sozialistischen Gesetzgebung zu bebildern. Der Film belegt eindrucksvoll, dass auch der Westen sich nach Kräften mühte, den politischen Gegner ideologisch zu diffamieren.

Ganz anders dagegen der Film „Zurück ins Leben“ von Werner Bergmann, gedreht 1948 in der Sowjetischen Besatzungszone. Bergmann, später Kameramann bei Konrad Wolf, hatte selber im Krieg einen Arm verloren. Der Film zeigt, wie es auch für die zahlreichen Kriegsversehrten möglich ist, wieder in ein normales Zivilleben zurück zu kehren. Filmisch eindrucksvoll und dramaturgisch schlüssig findet Bergmann einen Erzählrhythmus, den er mit geschickt inszenierten Bildern belegt. Das sei eigentlich kein Dokumentar-, sondern ein Spielfilm, findet auch Ursula von Keitz, aber die Originalaufnahmen von Kriegsversehrten und der Dreh in Werkstätten würden den Film dann doch wieder in das Projekt einfügen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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