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Dirk Becker über den besonderen Wert unseres Hans Otto Theaters: Vom Glück

Freitag Abend im Hans Otto Theater, Pause während der Premiere von „Minna von Barnhelm“. Keine Gespräche, sondern nur Gedanken über das, was man gerade gesehen hat.

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Freitag Abend im Hans Otto Theater, Pause während der Premiere von „Minna von Barnhelm“. Keine Gespräche, sondern nur Gedanken über das, was man gerade gesehen hat. Elzemarieke de Vos als Kammerjungfer Franziska, Michael Schrodt als Diener Just, herrlich, herrlich, herrlich in ihrem komödiantischen Spielfuror. Peter Pagel als Wirt, einfach nur grandios. Dazu ein hinreißender Florian Schmidtke als Paul Werner mit einer bärentapsigen Ich-hebe-die-Welt-aus-den-Angeln-Attitüde. In dieser komödiantischen Wildheit ringt Wolfgang Vogler mit seinem Major von Tellheim, spielt Franziska Melzer eine liebesmutige und liebesverspielte Minna. Und beide lassen da etwas aufblitzen, dieses ewige Ringen um Gemeinsamkeit in der Zweisamkeit, das Lessing in „Minna von Barnhelm“ so zeitlos klar, so schmerzhaft tief auf den Punkt bringt.

Gleichzeitig sind da aber auch Gedanken über all die Kritiken, die Häme und die Gängeleien, die dieses Ensemble, die Intendant Tobias Wellemeyer in den vergangenen Monaten immer wieder einstecken mussten. Kritik an Inszenierungen, die berechtigt ist, die oft aber auch im Unterton von Selbstgefälligkeit die ganze Arbeit infrage stellt. Die Diskussionen um die zu geringen Zuschauerzahlen, die immer etwas Vorwurfsvolles haben, aber nie etwas Konstruktives beitragen. Es scheint, als sehen viele in dieser Stadt im Hans Otto Theater nur ein schlechtes Stadttheater. Und man fragt sich, wann sie das letzte Mal eine der Inszenierungen gesehen haben. Oder haben wir es einfach nur zu schätzen verlernt, was da fast jeden Abend auf die Bühne gebracht wird? Sind wir mittlerweile so satt, dass ein guter Theaterabend sich in zwei Sätzen zusammenfassen lässt: „Eine nette Inszenierung. Und wo gehen wir jetzt einen Wein trinken?“ Sind wir nicht mehr bereit, uns dem auszusetzen, was da auf der Bühne verhandelt wird? Wollen wir im Theater Unbequemes und schmerzende Wahrheiten nicht aushalten? Oder haben wir verlernt, das Glück zu genießen? Denn es ist ein großes Glück für Potsdam, ein solches Stadttheater zu haben. Wer es nicht glaubt, sollte einfach mal hingehen.

Dirk Becker

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