Kultur: Vom Heckentheater in die Halle und auf alle Fälle in die Kirche
Mozarts „Cosi fan tutte“ bei der Kammeroper Rheinsberg / Beethovens Neunte im Brandenburger St.Pauli-Kloster
Stand:
Das Rheinsberger Kammeropern-Festival ist stets mit einem Risiko behaftet: Mit dem Nichtwissen, ob am Vorstellungsabend wegen eines nicht Open-air-freundlichen Wetters die Aufführung stattfinden könne. Beispielsweise im Heckentheater. Bei seiner Begrüßung zur vorletzten „Cosi fan tutte“-Vorstellung musste Kammeropern-Chef Siegfried Matthus Buhrufe einstecken, weil trotz des Nicht-Regens der Opernabend von der Freilichtbühne in die „Fabrik“-Halle verlegt wurde. Es war trotz der Publikumsproteste die richtige Entscheidung, denn die hohe Luftfeuchtigkeit hätte sich bei den Instrumenten negativ auf die Intonationsgenauigkeit ausgewirkt. Qualität ist A und O der Kammeroper.
Zum zweiten Mal in der Rheinsberger Festivalgeschichte wurde Mozarts „Cosi fan tutte“ ausgewählt. Diese Oper zu inszenieren, ist schwierig. Die Geschichte von den verführbaren jungen Frauen, die verkleideten jungen Männern erliegen – sie sind deren Liebhaber – ist eine unglaubliche Geschichte. Für den Regisseur eine Herausforderung, besonders in puncto psychologischer Durchdringung. Heinz-Lukas Kindermanns Inszenierung bot zwar etwas davon, doch auch viel Konvention. Es fehlte dem Regisseur ein dezidiert eigener Blick. Seine Stärke ist die Personenführung. Er begnügte sich nicht damit, die Sänger wie Spielfiguren über die Bühne zu schieben oder zu dekorativen Arrangements zu gruppieren. Er schuf durch Platzierung und Bewegung Konstellationen, damit die Spannungsverhältnisse ganz konkret vor Augen geführt werden konnten. Leider nicht bei dem Südkoreaner Daniel Kim, der als Liebhaber Ferrando mit einer fast ununterbrochenen Bewegungslosigkeit durch den Opernabend kam, dafür aber mit betörend schöner Tenorstimme. Dass stimmlich von den Sängern bei Mozart viel geleistet werden muss, ist bekannt. Die jungen Künstler machten ihre Sache insgesamt überzeugend. Für die Fiordiligi war Jule Rosalie Vortisch noch überfordert. Zu lyrisch ist die Stimme, es fehlt ihr der nötige dramatische Aplomb. Über den verfügt jedoch Anne Schuldt als temperamentvolle Dorabella. Den Liebhaber Guglielmo singt Tobias Hächler mit kultiviertem Bariton. Er bewegt sich mit Selbstbewussten durch die Klippen der Partie. Den Intriganten Alfonso, der den bösen Prüfungstest initiierte, und das gerissene Kammermädchen Despina gaben John In Eichen und die erst 20jährige Anett Fritsch mit großem Spaß an ihrem „teuflischen“ Spiel. Auch die gut geführten Stimmen ließen aufhorchen. Eingeladen wurde diesmal das Rias-Jugendorchester, das unter Leitung von Will Humburg recht prosaisch musizierte, obwohl es auch Momente gab, in denen die Quadratur des Mozartschen Kreises aus Balance, Transparenz und Expressivität verwirklicht wurde.
Das Festival 2006 ist beendet. Bald beginnt das Vorsingen für die nächste Saison. Dann steht auch Verdis „Falstaff“ auf dem Programm. Dabei sind dann die Brandenburger Symphoniker.
* * *
Zu Hause, in Brandenburg an der Havel, gaben die Brandenburger Symphoniker unter der Leitung ihres Chefdirigenten Michael Helmrath viel beachtete Saison-Auftaktkonzerte, so auch in der längst entwidmeten Kirche des St. Pauli-Klosters. Der einst sakrale Gebäudekomplex soll künftig das archäologische Landesmuseum aufnehmen. Das nun wieder mit einem Dach gekrönte Ex-Gotteshaus aus der Gotik möchte man als Veranstaltungsraum etablieren. Aber ein idealer Konzertsaal ist er nicht. Der Nachhall ist zu hoch. Dennoch gab es drei Konzerte mit Beethovens Neunter. Michael Helmrath musste die Tempi sehr langsam nehmen, um die Strukturen der Partitur hörbar zu machen. Und wenn es dann doch hin und wieder etwas schneller vonstatten gehen musste, konnte es passieren, dass sich ein undurchdringlicher Brei zusammen braute. Helmrath wusste aber dem meist zu begegnen, in dem er das Werk sehr kammermusikalisch anging, alles Heroische vermied und eine schöne Natürlichkeit des Musizierens erreichte.
Souverän war auch das Solistenquartett mit Silvia Weiss, Christina Pleß, Ralf Willershäuser und Reinhard Hagen. Leider musste der Berliner Oratorienchor (Einstudierung: Gert SelI) wegen der Enge im Chorraum zu weit entfernt vom Publikum platziert werden. So hörte sich dann auch das chorische Geschehen an: Irgendwo in der Ferne hörte man „Freude, schöner Götterfunken“. Es gab für alle Mitwirkenden sehr herzlichen Beifall. Die Neunte kommt immer an.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: