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Kultur: Vom Herd zum Bauhaus

Maler und Gourmet: Julius Ruge stellt seine Bilder im Lapis Lazuli vor

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Es ist keine Seltenheit, dass an den Wänden von Cafés und Restaurants Bilder von Künstlern der Stadt hängen. Einmalig dürfte jedoch sein, dass, wie im Lapis Lazuli im Holländer Viertel, ein bildender Künstler seine Bilder ausstellt und gleichzeitig hinter dem Herd steht. Julius Ruge ist beides, ein mit 24 Jahren noch junger Künstler und eben auch ein Koch mit professioneller Einstellung. Man könne, sagt Ruge, durchaus das Kochen mit der Malerei vergleichen. Beides seien intuitive Prozesse. In der Küche habe er ein „inneres Konzept“, wie ein Essen werden soll. „Aber“, sagt Ruge geheimnisvoll, „in der Malerei passieren zwischen Anfang und Abschluss noch einige andere Dinge.“

Ruge, zurzeit Student an der Bauhaus Kunsthochschule in Weimar, hat seine Priorität gesetzt: „Die Kunst ist meine Verpflichtung.“ Er koche nebenher in Zeiten, in denen er von der Malerei nicht allein leben könne. Dabei war Ruge sehr lange davon überzeugt, Koch zu werden. Er begann eine Lehre in einem Vier-Sterne-Haus, bis die sturen Hierarchien unter dem Küchenchef und persönliche Krisen ihn zur Umorientierung brachten. Zeichnen konnte er, weil er in Stralsund, wo er lange Zeit lebte, Graffitis gestaltet hatte. Ruge bewarb sich kurzer Hand an der Bauhaus Universität mit seiner Mappe, obwohl er kein Abitur vorweisen konnte. Er wurde angenommen, genauso, wie er nun eine Zusage für die Kunsthochschule in Weißensee bekam. Dorthin will er im nächsten Jahr wechseln, um sein Handwerk noch zu verbessern. Weimar, mit seinem auf Konzeptkunst ausgerichteten Studiengang, sei für ihn zu „schräg“, er will weiter und besser abstrakt malen.

Sein malerisches Talent ist nun im urigen Café in der Benkertstraße in dreizehn Porträts abzulesen. Es ist beachtlich. Obwohl kaum durch Lehrer ausgebildet, scheint hier fast zwanghaft das Abbild eines Inneren heraus zu wollen. „Kunst kommt nicht von Können, sondern von nicht mehr anders können“, hat ein Laudator auf einer seiner bis jetzt schon sechs Ausstellungen über Ruge gesagt. Seine hier ausgestellten Porträts wären abstrakte Visionen, die ihre Entsprechung in der Wirklichkeit zum Teil erst nachträglich finden. Das klingt ein wenig skurril. Julius Ruge malte und legte hinterher fest, dass es sich um einen Musiker, einen Schachspieler oder seinen Onkel handelte. Ein Bild trägt nun den Namen „Vaclav Harsa“, nachdem ein Tscheche sich in ihm wieder entdeckte. Das eine Auge des Musikers ist durch einen großen schwarzen Klecks verdeckt. Ein Auge ist bei Ruge immer kleiner oder verformt. Das kommt daher, dass ihm die Augen so wichtig sind und es Ängste gibt, die Sehkraft zu verlieren, sagt der Brillenträger. Die Konturen der Köpfe sind mit feiner, unruhiger Linie gezeichnet. Die Gesichtsfelder sind mit transparenten Farben gefüllt, Tusche, Lack oder Pastellfarben sind eingesetzt. Die Farbpalette ist eher gedeckt. „Orangensaft würde ich nicht verwenden,“ meint Ruge, der viel mit Materialien herum experimentiert, „die Farbe ist mir zu fröhlich.“

Die erstaunlich große Eigenständigkeit, die diese Bilder besitzen, wird von den Kunstprofessoren sofort erkannt worden sein. Diese Reife bewog wohl die Sperl Galerie auch dazu, Ruge spontan die Beteiligung an der traditionellen Vorweihnachtsausstellung „Kleine Formate“ zu ermöglichen.

Strich und Farbe wirken sehr leicht und frei gesetzt, sie haben eine Selbstverständlichkeit, die nur durch ein großes Talent oder durch fleißige Arbeit erreicht wird. Und fleißig ist Ruge. Ungefähr 1300 Werke zählt er bereits, viele davon hat er auf seinem Laptop archiviert. Akte und Körperstudien, Torsi in einer größeren Farbigkeit als bei den hier gezeigten Porträts bezeugen, dass hier eine kraftvolle Innenwelt nach außen quellen will, deren Subjektivität ursprünglich, naiv - ganz im künstlerischen Sinne ist - und deswegen äußerst kraftvoll wirkt. Auch hier passt der Vergleich zwischen Küche und Kunst. Denn bei Julius Ruge droht permanent etwas deftig Künstlerisches überzukochen. Matthias Hassenpflug

Lapis Lazuli, Benkertstraße 21, täglich ab 10 Uhr

Matthias Hassenpflug

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