Kultur: Vom Jammer der Unbesiegbaren Premiere von „Zwerge versetzen“ im HOT
Kinder sind bisweilen undankbare Theatergäste: zu leicht ablenkbar, noch dazu zu weit weg von höflicher Etikette, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Eine Herausforderung also, ein Theaterstück zu inszenieren, das sie zu begeistern weiß.
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Kinder sind bisweilen undankbare Theatergäste: zu leicht ablenkbar, noch dazu zu weit weg von höflicher Etikette, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Eine Herausforderung also, ein Theaterstück zu inszenieren, das sie zu begeistern weiß. Das Stück „Zwerge versetzen oder Der Goldschatz am Ende des Regenbogens“, das am Donnerstag im Hans Otto Theater (HOT) Premiere hatte, schafft das spielend – und zwar ohne den moralischen Zeigefinger zu schwingen, wie man das bei Kindern gern macht.
Bloße Unterhaltung ist das Stück (Regie: Aurelina Bücher), das auf einem irischen Märchen basiert, aber nicht: Irgendwo an der Irischen See lebt Mimmie (Lea Willkowsky) mit ihrem Großvater (Roland Kuchenbuch) in einer kargen Hütte ein entbehrungsreiches Leben, wie es sich für eine irische Geschichte gehört. Beide sind bettelarm, seit Wochen gibt es jeden Tag nur üble Pellkartoffeln, „die nach altem Schnupfen schmecken“ – kollektives „Iiih!“ aus dem Kinderpublikum. Aber unglücklich kann man auch nicht sein, wenn man einen Großvater hat, der so schön Geschichten erzählen kann – zum Beispiel Mimmies Lieblingsgeschichte vom Leprechaun, einem garstiger Zwerg, der einen Goldschatz hütet, der sich am Ende des Regenbogens befindet. Jeder, der den Schatz holen wollte, ist bisher am Leprechaun gescheitert und nie wieder zurückgekommen.
Just in dem Moment, als der Großvater davon erzählt, reißt der trübe irische Himmel auf und ein Regenbogen weist genau auf die Insel gegenüber der Hütte. Mimmie drängt und bettelt den Großvater so lange, bis dieser sich bereit erklärt, mit Mimmie zur Insel zu rudern, um den Schatz zu suchen und es mit dem Leprechaun aufzunehmen. Doch der ist nicht so einfach zu besiegen, da bedarf es schon einiger Tricks und infantiler Frechheit.
Hier wird keine komplexe Geschichte illustriert, sondern liebevoll dargestellt, dass es sich lohnt, für eine Veränderung zu kämpfen. Lea Willkowsky spielt dabei charmant den hektischen Dreikäsehoch, Roland Kuchenbuch gibt den Gegenpart als brummender Käpt’n Blaubär, der bei Weitem nicht so clever wie seine Enkelin ist. Am schönsten ist aber der Leprechaun selbst, den Josip Culjak mit so viel Präsenz gibt, dass von einem bösen Charakter gar nichts zu merken ist. Schließlich ist es auch für ihn kein Zuckerschlecken, unbesiegbar zu sein und jahrhundertelang nichts anderes zu machen als einen Schatz zu verteidigen.
Dieser Jammer der Unbesiegbarkeit ist auch der rote Faden der Geschichte, die voller überraschender Einfälle steckt: Mit wenigen Handgriffen verwandelt sich der Tisch in ein Papierboot aus Zeitungspapier, die Insel hat statt Palmen übergroße Kleeblätter, die sich im Wind bewegen (Bühne: Alexandra Hahn). Das Stück fliegt so flott dahin, dass das Ende beinahe überraschend kommt – und für das wohl größte Lob sorgt, das man von so ehrlichen Zuschauern wie Kindern erhalten kann: Trampeln, Klatschen, Zugaberufe. Oliver Dietrich
Nächste Vorstellungen am Sonntag um 15 Uhr und am Montag um 10 Uhr in der Reithalle.
Oliver Dietrich
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