Kultur: Vom Kopf in die Beine
Ortega mit viel Pathos im Spartacus
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Ortega mit viel Pathos im Spartacus „Es ist erstaunlich, dass der Vergleich zu Radiohead immer wieder in der Luft hängt“, sagt Eddy, Gitarrist von „Ortega“ aus Cottbus. Und doch ist es nicht zu verleugnen, dass die Band schon beim ersten Song wie jene Briten klingen, die sich inzwischen in abgehobenen Soundexperimenten verirrt haben. Dan, der Sänger, steht barfuß und ganz in Weiß auf der Bühne und schmachtet gekonnt ins Mikrophon. Gestenreich, meist mit geschlossenen Augen, schleudert er seine melancholisch anmutenden Texte ins spärliche Publikum im Spartacus. An diesem Freitagabend haben sich vielleicht sechzig Leute in den Club verirrt. Für Musiker ist solch eine Szene immer etwas niederschmetternd. Dennoch lassen sich die Cottbusser nicht beirren und versuchen, ihren Funken auf das Publikum überspringen zu lassen. Das ist etwas schwierig, denn sie machen absichtlich keine Partymusik. „Wir wollen zu erst den Kopf erobern und dann in die Beine“, erzählt Krispin, der Bassist und einzige Potsdamer in der sechsköpfigen Truppe. Eddy ergänzt, dass solche Musik natürlich schwieriger zu vermitteln sei, aber dennoch wolle man sich bewusst von den anderen Newcomer-Bands abheben. Ein kleiner Rückblick in die noch junge Bandgeschichte offenbart, dass die eigenwillige Mischung aus Rock, Melancholie, Electrosounds und Psychedelic Erfolg versprechend scheint. Vor etwa einem Jahr, frisch aus dem Proberaum heraus, haben sie mit ihrem zweiten und dritten Auftritt bereits den Niederlausitzer Rockwettbewerb und den Endausscheid des Landesrockwettbewerbes Brandenburg im Lindenpark gewonnen. Nach dem schnellen Erfolg hat sich natürlich einiges getan. Dreizehn Songs umfasst ihr jetziges Set, es gab weitere Konzerte und einen professionellen Internetauftritt. „Die Musik steht bei uns im Vordergrund“, erzählt Krispin. Man probe dreimal die Woche und sehe sich dementsprechend oft. „Aber menschlich passt es einfach“, sagt Eddy und ist zuversichtlich, dass sie auch in Zukunft auf einer Erfolgswelle reiten können. Es sei zwar heutzutage schwieriger, Auftritte und Gage zu ergattern, dennoch sei man von sich überzeugt. „Mir ist es auch wichtig, dass ich mich selbst immer wieder bei einem Auftritt überwältige“, sagt Daniel und kassiert darauf das Gelächter seiner Bandkollegen, die allein von einem guten Gefühl natürlich keine Miete bezahlen können. In den kommenden Wochen werden Ortega wieder ins Studio gehen und ihr erstes offizielles Demo mit „drei, vier abgefahrenen Songs einzuspielen“, so Sänger Dan. Einen Hauptsongwriter gibt es nicht in der Band. Jeder bringt eigene Ideen von außen heran. „Die besten Lieder entstehen natürlich beim jammen“, sagt Eddy. Sie finden es auch gut, dass sie sich nicht auf eine feste Musikrichtung einigen können, zu unterschiedlich sind die musikalischen Vorlieben der einzelnen Mitglieder. Dennoch haben sie es bei ihrem Auftritt im Spartacus geschafft, aus Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard, DJ-Set und Gesang eine weitgehend homogene Einheit zu erschaffen. Mal klingen sie wie Coldplay, mal wie Placebo oder 2Raumwohnung. Gerade Christian am Keyboard und DJ Gun verstehen es, sich unterzuordnen und dem Geschehen auf der Bühne dennoch ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Manchmal jedoch wäre es angebrachter, wenn Ortega etwas strukturierter und akzentuierter zu Werke gehen würde, damit sie sich nicht in einem Soundbrei verlieren. Gerade Daniel am Schlagzeug, der immer darauf bedacht ist, möglichst komplizierte Breaks und Fill-Ins zu zaubern, offenbart so manchen rhythmischen Schlenker. Etwas monoton und in ewig gleicher Gesangsmelodie ermüdet streckenweise auch Dan. Es steckt viel Potenzial in seiner samtigen Stimme, die auch in höheren Lagen nicht an Intensität verliert. Aber etwas weniger Pathos und Weltschmerz in den lang gezogenen Gesangslinien wären manchmal auch ganz angenehm. Patrick Steller
Patrick Steller
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