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Kultur: Vom Küssen, Kochen und Fliegen Integrationstheater

hat heute Premiere

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Sabine Pfeifer sitzt seit fünf Jahren im Rollstuhl. Nach einer plötzlich auftretenden Hirnblutung ist die 52-jährige ehemalige Landwirtin halbseitig gelähmt und kann nur mühsam sprechen. Seit diesem Schicksalsschlag verbringt die lebenslustige Frau ihren Alltag „zwischen Pflegebett und Fensterbrett“. Früher spielte sie Saxophon und Geige, hat viel gemalt. Das ist nicht mehr möglich. Doch im letzten Jahr ergriff sie die Gelegenheit beim Schopfe: Im ehemaligen Haus der Begegnung in der Gutenbergstraße fand sie einen Flyer, der Menschen wie sie zum gemeinsamen Theaterspielen mit Nichtbehinderten einlud.

Die Puppenspielerin Carine Limbosch und der Regisseur Axel Tröger probieren seitdem wöchentlich mit neun Mitspielern „Szenen vom Küssen, Kochen, Fliegen“. Dieses Schattentheaterprojekt des Potsdamer Behindertenverbandes, das mit LOS-Mitteln aus dem Europäischen Sozialfond gefördert wurde, erlebt heute im Malteser Treffpunkt Freizeit seine Premiere. Darauf freuen sich alle Beteiligten, denn sie sind in den letzten Monaten zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen.

Die Rentnerin Ilse Peters, die erst vor einem Vierteljahr zu der bunten Truppe, zu der auch Baska Lindenberger und Katrin Lemke gehören, gestoßen ist, wollte zuerst nur schnuppern. Doch sie fühlte sich sofort aufgenommen und sehr berührt von der Begegnung mit Anneliese Genrich, Michael Keller und Sigrid Priebe, die in verschiedenen Einrichtungen der Theodor-Fliedner-Stiftung betreut werden und jetzt mit ihr gemeinsam Theater spielen. Begonnen wurde ganz locker, mit vielen Bewegungsspielen und verschiedenen Improvisationen zu Musik oder eigenen alltäglichen Erlebnissen. Dann entwarfen alle erste Figuren auf Packpapier. Langsam wuchsen daraus fantasievolle Schattengestalten mit ihren ganz persönlichen Geschichten. Henry Rauhut, der erst eine Weile überlegen muss, als er nach seinem Geburtstag gefragt wird, erzählt mit leuchtenden Augen von seinem Kater Peter. Die junge Nicole Augenadel hat einen frechen Hasen erfunden, der ohne die eigene Mutter ganz schön aufgeschmissen ist. Auch sie ist stolz darauf, dass sie etwas vorführen kann, was unter ihren eigenen Händen und in ihrem Kopf entstanden ist.

Doch nicht nur dieses Ergebnis zählt. Ungleich wichtiger ist das, was mit den Menschen in der Gruppe passiert ist. Sabine Pfeifer wollte anfangs einfach nur unter Leute. Doch in der Begegnung mit den Anderen hat sich ihr Denken und Fühlen verändert. „Zuerst habe ich nur die Schwächen bei den anderen Behinderten gesehen“, bekennt sie selbstkritisch, „und dann immer mehr deren Begabungen“. Die Proben haben sie stabiler gemacht und jetzt „kann ich mir selbst oft mit einem Lächeln über die eigene Schulter schauen“. Gisela Brand

Weitere Aufführung am 17. Juni, 14 Uhr, auf dem Sommerfest des Behindertenverbandes im Bürgerhaus am Schlaatz.

Gisela Brand

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