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Kultur: Vom Licht des Osterfestes her geschrieben Telemann-Passion

in der Friedenskirche

Stand:

Ganz unterschiedliche Empfindungen und Empfindlichkeiten verstand Georg Philipp Telemann in seiner Johannes- Passion aus dem Jahre 1741 zu erwecken. Ist der Evangelistenbericht teilweise sachlich und spröde, so sind die zahlreich betrachtenden Texte in den Arien zierlich und zärtlich, mitunter auch traurig und kämpferisch, zumeist aber von lebensbejahender Hoffnung. Die Passion Jesu, die uns bei Bach mit großer dramatischer und erregender Kraft gegenüber tritt, gibt sich bei Telemann eher lyrisch, aber keinesfalls idyllisch. Es scheint, als ob der Musikdirektor der fünf Hamburger Hauptkirchen seine Musik zur Johannes-Passion vom Licht des Osterfestes her schrieb.

Die Friedenskirche Sanssouci lud am Sonnabend zur Aufführung der Johannes-Passion von Georg Philipp Telemann ein. Für die meisten der Zuhörer war das Hören dieser Passionsvertonung wohl eine Premiere, denn Bachs Kompositionen der Leidensberichte Jesu dominieren nach wie vor bei den kirchenmusikalischen Veranstaltern. Daher war es höchst verdienstvoll, dass der Vocalkreis Potsdam gemeinsam mit dem telemann-consort-magdeburg unter der Leitung von Kantor Matthias Jacob und dem Violinisten Wolfgang Hasleder das Werk des berühmten Bach-Zeitgenossen vorstellte.

Kammermusikalisch ist die Komposition besetzt: mit zehn bis zwölf Musikern. Neben Streichern und dem Continuo (Theorbe, Orgel, Cembalo) hört man zwei Flöten und eine Oboe. Es war ein großer Gewinn, dass Jacob das telemann-consort für die Aufführung gewann. Die neun Musiker erwiesen sich als stilkundige Mittler zwischen den Jahrhunderten und warteten mit einem transparenten Klangbild auf, der von historischer Musizierpraxis geprägt war. „Nur“ ein Kammerchor ist hier vonnöten, um sich in die Erzählung einzubringen, auch für die Choräle. Der homogen singende Vocalkreis lotete die Passagen der hasserfüllten Hohenpriester oder des verführten Volkes entsprechend der textlichen und musikalischen Vorlage bestens aus. Mit einem wunderbar weich getönten Klang sang er die Choräle. Besonders prägte sich der Liedsatz „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ ein, weil es ganz zart und mit großer Bewegung gegeben wurde. Die zierliche Chor-Arie „Sei gegrüßet, lieber König“ war von einem locker-leichten Gestus. In keinem Augenblick wurde forciert.

Die umfangreiche Evangelistenpartie ist auch bei Telemann einem Tenor vorbehalten. In Michael Zabanoff fand sie einen engagierten Sachwalter, der die Passionsgeschichte mit Anteilnahme erzählte, auch stimmlich hörte man von dem Sänger uneingeschränkt Gelungenes. Sören von Billerbecks (Jesus) Bass strahlte schöne Ruhe und Ausgewogenheit aus. Seine gesangliche und gestalterische Kraft hätte man auch gern dem Sänger des Pilatus (Christian Deichstetter), der aus den Reihen des Chores trat, gewünscht. Fehlanzeige. Und so geriet die bedeutende Szene der Passionsgeschichte ganz und gar unterbelichtet.

Einen Mammutanteil am Erfolg der Aufführung kommt der Mezzosopranistin Kristiina Mäkimattilla zu, die nicht nur die Mezzoarien sang, sondern auch jene, die für Sopran komponiert wurden. In ihnen und in dem Duett (Sopran und Bass) werden mit vielerlei Tönen, Rhythmen und Klangfarben spielerisch prächtige Bilder dargestellt, in denen die „mörderische Rotte“, die Jesus gefangen nimmt, der überlegene Herrscher oder die Seele als Braut vorkommen. Kristiina Mäkimattila hat die reiche Vielfalt der Arien mit offenkundiger Freude am Musizieren und mit großer stilistischer Sicherheit sehr warmherzig vorgetragen.

Nach dem abschließend gesungenen Choral „Erscheine mir zum Schilde“ verharrten Musiker, Sänger und Zuhörer still und gingen schweigend auseinander. Draußen vor der Kirche kam dann bei einigen Besuchern die Frage auf: Welche Passion wird bevorzugt, eine von Telemann oder eine von Bach?

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