Kultur: Vom Mythos der Freiheit
Diskussion, Ausstellung und Konzert in der Friedrich-Naumann-Stiftung
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Große Schirme standen neben dem Podium für den Fall, dass der Himmel seine Schleusen öffnen sollte. Doch sie wurden nicht gebraucht. Der Regen war so nachsichtig wie die Diskutanten, die sich in friedlicher Sonntags-Matinée-Stimmung getroffen hatten. Man sprach gelassen kluge Dinge aus („Bildung ist die Voraussetzung für Kultur“), war freundlich miteinander und nahm dem Thema die vermeintliche Brisanz.
Er könne für jede Partei einen guten Wahlaufruf schreiben, sagte Sänger Heinz Rudolf Kunze im Park am Griebnitz-See und schaute verträumt auf den Rasen. Das war die Spitze der gebotenen Ironie. Ansonsten war man sich eigentlich einig darüber, dass es Aufgabe der Politik sei, Freiräume für die Kultur zu schaffen und dass die Kultur auch ruhig mal politisch sein dürfe.
Die Malerin Claudia Hauptmann sprach bilderreich und nachdrücklich: Darüber, dass die Politik nur ein Teil der Kultur sei und dass, wenn der allergrößte Wert das Geld sei, das Ganze den Bach runter ginge. Ein bisschen unterschiedlich bewerteten Heinz Rudolf Kunze und Claudia Hauptmann die beabsichtigte Wirkung ihrer Kunst: Sie wolle etwas bewirken, sagte Hauptmann überzeugt, Kunze sprach vorsichtig davon, dass er ein Angebot mache und sich freue, wenn daraus etwas entstünde.
Auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung „Für die Freiheit“ (FNS) waren noch weitere zwei Diskutanten gekommen, um zum Thema „Kultur und Politik. Im Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ zu sprechen. Der brandenburgische Landesvorsitzende der FDP, Heinz Lanfermann, verlangte von der Kultur, die Politik zu „bereichern“ und von der Politik, Kultur nicht „nur fiskalisch“ zu beurteilen. Und Petra Weckel, Leiterin der Begabtenförderung der FNS, fand, dass Kultur auch „Brot und Wein“ brauche.
So war denn weitgehend eitel Sonnenschein, obwohl sich der Himmel zusehends bewölkte und das Konzert mit Heinz Rudolf Kunze und seinen beiden Musikern nach innen ins Atrium vertrieb. Dort lustwandelten die zahlreichen Besucher dann auf drei Etagen und hatten sogleich die Gelegenheit, einen Blick auf die Ausstellung der beiden Potsdamer Maler Claudia Hauptmann und Robert Matura zu werfen.
Maturas meist in orange-gelb schwelgenden, sich auf die griechische Mythologie beziehenden Malereien schwächeln sehr neben den ausdrucksstarken, provokativen Bildern von Claudia Hauptmann.
„Mythos Freiheit“ heißt die Schau mit den insgesamt dreißig Arbeiten. „Disput über die Liebe“ nennt Hauptmann eine verstörende Arbeit: Zentral, mit dem Kopf zum Betrachter liegt eine Nackte auf einem Tisch in einer schier unendlichen Bibliothek. Da geht ein Raum in den nächsten über, die Bücher stehen eng in den Regalen, und neben dem aufgeschnittenen Unterleib halten ein Mann, der aussieht wie Bertolt Brecht, und eine Frau verwundert Organe in ihrer Hand und sehen ganz schön ratlos aus. Eine so brachiale Interpretation des hehren Liebesgefühls, von dem nur mehr blutende Fleischlichkeit übrig bleibt, gibt zu denken. Auf anderen ihrer Arbeiten windet sich Medusa unter vielen Schlangen und trägt schon mal eine hypermoderne Sonnenbrille. Im „Parnass“ liegen die Musen lasziv und ermattet, aber offenbar erotisch immer noch zugriffsbereit, auf dem platten Feld. Die mythologischen Gegenstände, die sie zu ihrer Dichtkunst benötigen, sind acht- und funktionslos verstreut. Lediglich Selbstbefriedigung ist in einem solchen Zustand noch möglich – das Triptychon beweist einen sehr kritischen Blick der Künstlerin auf die eigene Zunft, gepaart mit handwerklicher und intellektueller Raffinesse.
Vielleicht hätte eine Diskussion, die diese Arbeit zum Ausgangspunkt genommen hätte, mehr Streitaspekte eröffnet? Während Heinz Rudolf Kunze seine Mischung aus Texten und Liedern darbot, die (so mit dem Refrain: „Ballack Ballack Ballack“) ebenfalls einen kritisch-distanzierten Blick auf die Gesellschaft beweisen, konnten die Besucher das auf der grünen Wiese Gehörte mit wirklicher Kunst vergleichen.
Die hatte sicher eine größere Wirkung als die gut gemeinten Worte. Aber alles in allem war es doch ein reichhaltiges Denk- und Kulturangebot, und das sollte für einen Sonntagmorgen weidlich genügen.
Lore Bardens
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