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Kultur: Vom raschen Fluss der Stunden

Musikalische Entdeckungstour mit dem Persius Ensemble in Paretz, dem Sommersitz der Königin Luise

Stand:

Dem Persius Ensemble zum Zehnten, dem Schloss Paretz zur musikalischen Eröffnung des neuen Saalbaus und dem wohlgestimmten Publikum zur sonntäglichen Unterhaltung: Das vereint ergab ein Paretzer Schlosskonzert, dem der Dauerregen keineswegs die Stimmung trüben konnte. Wenngleich eine solche Landpartie hinaus zum Sommersitz der Königin Luise vielfach angenehmer ist bei Sonnenschein. Den erhielt man quasi musikalisch dargereicht, zumal das Persius Ensemble, das seit Jahren regelmäßig hier konzertiert, immer wieder mit Spielfreude und feinem Gespür für die musikalische Form, Entdeckerfreude und technischer Souveränität auftrumpft.

Den Einstieg bildete, akzentuiert und präzise musiziert, der Marsch aus der Haffner-Musik Nr. 2 von Mozart. Was folgte war die Entdeckung des Abends: Ein 1885 komponiertes Nonett von Frans Coenen. Dieser weltumreisende holländische Violinvirtuose und heute vergessene Komponist war in seinen Werken an Schumann, Mendelssohn und den Klassikern orientiert. Was dem Nonett mit spätromantischem Habitus und klanggenüsslich-weitschwingenden Phrasen, das dennoch Freiraum für eigenständige Inspiration und überraschende Momente lässt, durchaus anzuhören ist. Dem kraftvoll zupackend musizierten Allegro folgt mit schönem Bläsersatz beginnend ein Scherzo, dessen rhythmisch-akzentuiertes Eingangsmotiv den Satz, hin- und herhuschend in der Verwebung mit den Streichern, prägnant durchzieht. Die elegische Phrase vom Horn, quasi rhapsodisch mit kurzen Einwürfen der Bläser, gerät zum Ruhepol, bevor beides miteinander versponnen und gesteigert wird und das ganze so zu einem fast sommernachtstraumartigen Szenario gerät. Der ruhig-elegische Fluss des folgenden Larghetto lässt den vom Komponisten mottoartig mit dem Werk verbundenen „raschen Fluss der Stunden“ in einer melancholischen Dimension erscheinen. Ein Nicht-Wiederkehren vielleicht, das Coenen als klangvollen Spätromantiker zeigt.

Das abschließende Vivace baut auf einer rhythmischen Grundbewegung der Streicher auf, voller Unruhe in bester Streichquartettmanier, welche, von den Bläsern in Molltonalität aufgegriffen, bald durch ein heiteres Dur abgelöst wird und das Ganze auf eine helle Sommerwiese zu verlegen scheint. In einer interessanten Durchführung verwoben ergibt sich schließlich ein frohgestimmtes Weitergehen, das dem finalen Dur-Akkord alle Berechtigung erteilt. Nach der Pause erklangen Claude Debussys Prélude à lapres-midi dun Faune und das „Norma Capriccio“ nach Vincenzo Bellinis Oper, deren mehr als zwei Stunden von Jan Böttcher in ansprechender Weise zusammengefasst wurden. Überzeugte die Bearbeitung bei Debussy nicht wirklich, fehlte hier das Flirrende, Ungreifbare des Originalklangs, unbeschadet des feinfühligen, behutsamen Arrangements und des hingebungsvollen wie sensiblen Vortrags.

Ganz anders dagegen trumpfte Bellini auf: Mag durchaus sein, dass man schlichtweg Opernarrangements hörgewohnt ist, oder grundsätzlich diese Musik für derartige Modifizierungen die nötige Griffigkeit besitzt. Die Parade der Ohrwürmer von „Casta diva“ bis „Deh! Non volerli vittime“ lotete auch in dieser Form berührend-schön die elegischen Momente ebenso aus wie höchste Dramatik.

Christina Siegfried

Christina Siegfried

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