Kultur: Vom Winde verweht Wiener Operetten Theater gab auf dem BUGA-Gelände Johann Strauss“ „Fledermaus“
Von Gerold Paul Die schlechte Nachricht: Das „Wiener Operetten Theater“ hat am Freitag eine ziemlich ungünstige Aufführung von Johann Straussens „Fledermaus“ im BUGA-Gelände abgeliefert. Die gute: Leib und Seele nahmen keinen Schaden.
Stand:
Von Gerold Paul Die schlechte Nachricht: Das „Wiener Operetten Theater“ hat am Freitag eine ziemlich ungünstige Aufführung von Johann Straussens „Fledermaus“ im BUGA-Gelände abgeliefert. Die gute: Leib und Seele nahmen keinen Schaden. Freilich waren die Umstände mehr als widrig und zumindest den zahlungskräftigen Besuchern der ersten Reihen eine „Zumutung“, wie man in der Pause beim Flanieren hörte. Hohe Betonsäulen und ein hässlich-knitteriges Dach – dieser unwirtliche Ort könnte genauso gut ein Lagerplatz für Schrott und Rüben sein. Hier bekam man den richtigen Eindruck, was Freilicht-Theater in Form einer Freiluft-Veranstaltung ist. Böiger Wind schlug kalt von der Seite heran, jedwede Abdeckung fehlte – man hatte Kunst und Publikum in die zugige Wüste geschickt. Doch Not schafft Tapferkeit. Die Wiener erklärten sich bereit, auch in einer Behelfskulisse „so zu singen und zu spielen wie im schönsten Theater, das man sich überhaupt vorstellen kann“. Anfangs ging das nur auf Kosten der gesungenen und instrumentierten Akustik, doch als eine Böe der armen Rosalinde inmitten einer Arie den Schal ins Gesicht schlug, ein lautes Hatschi! aus dem etwa 20-köpfigen Orchester (Leitung Dorothea Agnoletto) tönte und Gefängnisdirektor Lothar Wehrle mit seinem Stöckchen die weggeblasene Manschette fangen ging, war es mit Ernst und Würde dieser Aufführung endgültig vorbei. Die neue Vereinbarung hieß: Durchhalten bei größtmöglicher Vergnüglichkeit. Das geniale Libretto nach Meilhac und Malévi erzählt mit heiterem Atem von Männerrache, ehelicher Treulosigkeit, Verkleidungen, und von einer selbst-bewussten Kammerzofe, deren Namen man in jedem Kreuzworträtsel findet, Adele. Nachdem der Rentier Gabriel von Eisenstein (Dominique Sertel) seinen betrunkenen Freund Falke (Peter Rasch) nach einem Kostümball in Fledermaus-Verkleidung aus der Kutsche auf die Straße setzte, sinnt dieser auf Vergeltung. Gelegenheit bietet sich, als jener wegen Beamtenbeleidigung auf acht Tage in den Arrest soll. Falke richtet es so ein, dass sich in der Nacht davor alle beim Prinzen Orlofsky (mit russischem Akzent eher unauffällig Heike Theresa Terjung) zu einem Ball treffen, auch die Gattin des Delinquenten, Rosalinde (Beate Vetsera), welche von ihrem Jugendfreund Alfred (Vojtech Filip, wunderbarer Tenor) bedrängt wird. Schürzenjäger Gabriel flirtet mit im Original güldener Repetieruhr (hier war sie aus Silber) um die vermeintliche Ungarin. Jeder gaukelt dem anderen vor, von hohem Adel zu sein, Adele (Michaela Egloff mit sicheren und hohen Tremolos als beste Partie des Abends) aber sucht einen Mäzen, sie will zum Theater. Im dritten Akt löst Johann Strauss im Gefängnis alle Verwirrung. Man bekennt einander das falsche Rollenspiel, das ungetreue Ehepaar derer von Eisenstein findet in Victor Hunt“s recht unkomplizierter Inszenierung rasch zur wenig stürmischen Versöhnung. Alles war dem „himmlischen Kind“ freilich nicht zuzuschreiben, was so ganz zueinander nicht passte, Figurenbeziehungen und szenische Logik. Unverblümt kosen Alfred und Rosalinde miteinander, während Frank den Rentier (eine Rolle ohne dramatische Formatierung) abholen will; Orlofskys Maskenball reiht die Figuren aneinander, anstatt sie ihren Widersachern zuzuordnen, und der dritte Akt, nach einer Stehpause, schien völlig misslungen. Christian Theodoridis“ schweykhafter Gefängnisbüttel Frosch wollte das fröstelnde Publikum mit allerlei Wortspielen aufheitern, etwa „Die grüne Eiche steht vor der Tür, nein, Rosa Linde“. Aber das ging daneben. Der operettenhafte Zauber, zu dem ein diszipliniert spielendes Orchester das Seine beitrug, obwohl der Wind viele Töne davontrug, war verloren. Wie sich das 1938 gegründete Tournee-Theater auf dem Durchzug nach Landshut befindet, so blieb seine „Fledermaus“ eine recht windige Sache.
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: