Von Daniel Flügel: Vom Wir und Anderssein
Jana Hensel liest aus ihrem neuen Buch
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Wohl sicher nicht von ungefähr hat Jana Hensel ihr neues Buch: „Achtung Zone“ in der Zeit des zwanzigjährigen Jubiläums des Mauerfalls veröffentlicht und mit dem provokanten Untertitel: „Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten“ versehen. In einer Art Fortsetzung ihres Bestsellers: „Zonenkinder“ (Rowohlt, 2002) versucht die Autorin nun zu erklären, wie die Ostdeutschen auch nach der Wende ihre ganz eigene Geschichte geschrieben haben. Warum sie deshalb „anders“ bleiben sollten, verrät sie bis zur letzten Seite nicht.
Für Hensel wurde die Geschichte der deutschen Einheit mit einem von der Presse erfundenen Brandt-Zitat eingeleitet: „Nun wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Zudem bezeichne es auch mehr den Abschluss eines politischen Lebenswerks, nicht aber den Neubeginn in einer für die Ostdeutschen wie für die Autorin seither „unübersichtlichen Welt“. Hinter ihrem gebetsmühlenartig gepredigten Wir-Gefühl steckt also nichts als eine freche Vereinnahmung. Merkwürdig konturenlos fährt Hensel zwei Kapitel lang fort, eine wuchernde Erinnerungskultur des Mauerfalls und ein durch die Medien verfälschtes, klischeebehaftetes und vorurteilsbeladenes Bild der Ostdeutschen und ihrer Gegenwart zu beklagen. Erst daraus sei die Ostalgie entstanden, die „Heimatlosigkeit auf eigenem Boden“. Um nun aber das wahre Selbstbewusstsein der Ostdeutschen herauszustreichen, deren vermeintliche Andersartigkeit, erzählt Hensel mit viel Pathos vom Hungerstreik gegen die Schließung des Kalibergwerks in Bischofferode 1993 und von den „neuen Leipziger Montagsdemos“ gegen die Einführung von Hartz IV im Sommer 2004. Dazu reist sie zu damaligen Schauplätzen, trifft einige Beteiligte, zeichnet episodenhaft nach, bevor sie das Ganze dann unkommentiert, wie halb fertig, stehen lässt.
Geradezu ausufernd erzählt die Autorin dann den hinlänglich bekannten, jahrelangen Stasispitzelstreit zwischen dem Schauspielerpaar Jenny Gröllmann und Ulrich Mühe noch einmal nach. Was sie damit bezweckt, bleibt allerdings ein Rätsel. Denn nur um die gegensätzlichen Positionen zu zeigen, die man heute als Ostdeutscher zu seiner Vergangenheit beziehen kann, bedarf es der Rührseligkeit und des reißerischen Aufwands sicher nicht. Und warum kennt die Autorin keine positiven Gegenbeispiele, fallen ihr die Erfolgsgeschichten nicht ein, wenn sie das Kollektiv der Ostdeutschen schon auf einen „anderen“ Nenner bringen will.
So erschöpft sich Jana Hensel in ihren Thesen und Meinungen und kommt dabei doch nie auf den Punkt. Die Exkurse versanden, die Begründungen bleiben aus, eine Trauer bestimmt den Ton der zweifelhaften Beschwörungen, sich voneinander abzugrenzen.
Jana Hensel liest aus ihrem neuen Buch am morgigen Donnerstag um 20 Uhr im Waschhaus Potsdam. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro.
Daniel Flügel
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