Von Philipp Kühl: Vom Wünschen und Träumen Steffen Findeisens
„Dryade“ im T-Werk
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Nur ein einzelner, einsamer Baum steht in der Mitte des Raumes. Er schlägt seine Wurzeln tief in den Boden, um den heftigen Stürmen des Lebens standhalten zu können. „Ich komme, ich komme“, erklingt sogleich eine Stimme aus dem Off und Darsteller Steffen Findeisen hechtet in großen, fröhlichen Sprüngen auf die Bühne. Die Reise kann beginnen. Unter Rauschen und Grummeln fliegt ein Element durch Raum und Zeit, um vor den Augen der Zuschauer neu geboren zu werden. Vorsichtig tastet es sich in die Welt, erkundet seine Umgebung und findet seinen Platz schließlich in der Geborgenheit des stattlichen Baumes. Für kurze Zeit scheint es in ihm verschollen zu sein. Doch Stück für Stück löst sich etwas aus dem Schutz des Stammes. Doch was ist das? Ein Fabelwesen, ein mystischer Körper, eine magische Frauengestalt? Es ist die Dryade aus dem Stück „Dryade – die Reise einer Baum elfe“, welches am Wochenende im T-Werk seine Premiere feierte.
Darsteller Steffen Findeisen nutzt den Rahmen und die Thematik des Dryadenmärchens von Christian Andersen, um seinen eigenem Leben mit tänzerischen Mitteln nachzuspüren. „Was geschieht mit uns, wenn unsere Sehnsüchte erfüllt sind?“, ist die Frage, die im Mittelpunkt des Stückes steht. Findeisens tänzerische Umsetzung lässt auf keine klare Antwort schließen. Weder das vollendete Glück scheint am Ende dieser Reise zu stehen, noch die bleierne Ausweglosigkeit. Vielmehr ist es die Dynamik des dazwischen liegenden Kraftfeldes, welches die Impulse für unser Leben setzt.
Mal fließen Findeisens Bewegungen mit Leichtigkeit durch den Raum, etwa wenn er vom menschlichen Träumen berichtet. Der Wunsch seiner Großmutter, die als junge Frau die Provinz verlassen möchte, um in die Filmmetropole zur Ufa nach Babelsberg zu gehen, endet im tragischen Wahnsinn. Und doch, diese Momente, in denen wir die Leinwand der Zukunft mit unseren Wünschen bemalen, sind Stunden der Erfülltheit. Doch Leben ist das, was passiert, während wir fleißig andere Pläne schmieden, und gnadenlos holt uns die Realität ein. Zerrissene Bewegungen und Szenen des Kampfes zeigen sich ebenso auf der Bühne. Der Clinch mit äußeren und inneren Feinden kostet Kraft. Findeisen schafft es mit Offenheit und sensiblem Spiel, einen Einblick in sein Leben zu geben. Dabei nutzt er weder Requisite noch Wörter und setzt stattdessen auf die Macht der Fantasie.
Und für alle, die sich darin möglicherweise verlieren, thront am Ende des Stückes immer noch der Baum des Lebens im Zentrum des Raumes. Kraftvoll, gütig und zuversichtlich.
Philipp Kühl
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