Kultur: Von Blumen und Vögeln
Anita Albus erhält den Literaturpreis Umwelt
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Diese Bücher sind Erlebnisse. Wer „Das botanische Schauspiel“ oder „Von seltenen Vögeln“ aufschlägt, begibt sich auf eine Entdeckungs- und Erkenntnisreise. Sich diesen Bücher gewordenen Naturschauspielen der Autorin und Malerin Anita Albus auszusetzen, heißt sich Zeit zu nehmen und bereit sein, sich im Detail zu verlieren. Es ist, als habe sich die Figur des Meno Rhode aus Uwe Tellkamps Roman „Der Turm“ neben den Leser gestellt und wiederholt dort seine bekannte Mantra: Schau genau hin!
Wer dann nach Stunden wieder heraustritt aus diesen stillen und liebevollen Büchern von Anita Albus, wird sich eingestehen müssen, dass er dieses genaue Hinschauen fast verlernt, vergessen hatte. Und es bleibt eine tiefe Dankbarkeit der Autorin und Malerin gegenüber, die auf ihre fast schon altmodische Art den eigenen Blick, die Aufmerksamkeit wieder zu schärfen wusste. Heute erhält Anita Albus für ihre Bücher „Das botanische Schauspiel“ und „Von seltenen Vögeln“ in Potsdam den Brandenburgischen Literaturpreis Umwelt.
Es klingt schon ein wenig seltsam: Brandenburgischer Literaturpreis Umwelt. Sollen hier Öko-Romane oder Gedichte, gedruckt auf recycelten Altpapier, prämiert werden? Das sind Gedanken, die einen beschäftigen, bis man die beiden Bücher von Anita Albus zur Hand nimmt und staunt, dass solche Bucherlebnisse heute noch möglich sind. Ein feinseidener Einband, festes, cremefarbenes Papier, Goldschnitt am oberen Rand und naturgetreue Aquarelle von Blumen und Vögeln, die beim Betrachten dazu reizen, die Lupe zur Hand zu nehmen und sich den Details hinzugeben. Das ist Buchkunst, im Fischer-Verlag erschienen, wie aus einer längst vergangenen Zeit.
Anita Albus, die als Schriftstellerin und Malerin in München und Burgund lebt, hat sich in „Das botanische Schauspiel“ 24 Blumen gewidmet, „nach dem Leben gemalt und beschrieben“. Es sind auf den ersten Blick nicht selten unscheinbare Blumen, die Albus aus der ganzen Welt zusammengetragen hat und in ihrem Garten in München oder der burgundischen Provinz gezüchtet hat. In der Tradition der Miniaturmalerei hat die 66-Jährige diese Blumen porträtiert und um eigene Texte und Zitate ergänzt. Ihr Buch „Von seltenen Vögeln“ hat sie in „Untergegangene“ und „Bedrohte und Gefährdete“ unterteilt. Wie in ihrem Pflanzenbuch hat Anita Albus auch hier die Vögel aufwendig und detailgenau gemalt und um Fotografien und Zeichnungen anderer Forscher ergänzt. Neben ausführlichen Beschreibungen vom „wundersamen“ Waldrapp, dem „scheuen“ Wachtelkönig“ und der „schönen“ Schleiereule erzählt Anita Albus manch skurrile, manch erheiternde Anekdote und macht „Von seltenen Vögeln“ zu weit mehr als eine Pflichtlektüre für den stillen Liebhaber der Ornithologie.
Als Plädoyer für die Natur und die Kunst sind „Das botanische Schauspiel“ und „Von seltenen Vögeln“ zu lesen. Aber kein Fordern ist hier zu spüren. Es ist ein feines, gleichzeitig aber bestimmtes Bitten, das Anita Albus mittels ihrer Texte und Bilder anstimmt. Und der Leser verspürt bei der Lektüre dieser Bücher die Lust, die Autorin in ihrem Haus in einem Dorf nahe der burgundischen Stadt Dijon zu besuchen, sich von ihr die Geschichten ihrer oftmals mühevollen Mutterschaft für schwache Vogeljungen erzählen zu lassen oder mit ihr durch den Garten zu gehen und dabei dem Meno Rhodeschen Diktum zu folgen: Schau genau hin! Dirk Becker
Anita Albus liest heute, um 19 Uhr, im Rahmen der Verleihung des Brandenburgischen Literaturpreises Umwelt im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt
Dirk Becker
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