Kultur: Von den Zwängen des Lebens
„Pompinien“ im Hans Otto Theater
Stand:
„Pompinien“ im Hans Otto Theater Ein Gazevorhang teilt die dunkle Bühne. Hinter dem Vorhang sechs Gestalten, die sitzend oder stehend erstarrt sind. Auch die zwei vor dem Vorhang sind regungslos, die eine steht zwischen zwei Koffern, die andere kniet bei einem kleinen roten Schlitten. Nachdem es im Zuschauerraum dunkel geworden ist und die melancholische Melodie von „Time to say goodbye“ auf das Stück eingestimmt hat, wird die Vorderbühne hell und der Raum hinter dem Gazevorhang unsichtbar. Das Stück „Pompinien“ von Ingeborg von Zadow, das der Theaterjugendclub am Hans Otto Theater unter Leitung von Ina Walter erarbeitet hat, beginnt. Ein von Traurigkeit gedämpfter Streit zwischen Freundinnen ist zu verfolgen. Nola (Franziska Tietz) muss weg, nach Pompinien. Tanil (Alissa Gilmutdinowa) kann sich nicht damit abfinden, die beste Freundin zu verlieren. Sie hatte zwar einmal gesagt, dass es wichtig sei, mal woanders zu leben, aber warum muss ausgerechnet ihre Freundin weg und noch dazu ohne sie. Doch sobald Nola sagt, sie wolle eigentlich gar nicht weg, sondern für immer bei Tanil bleiben, erinnert Tanil sie daran, dass ihr Weggehen unausweichlich sei. Warum das so ist und wo Pompinien liegt, wird nie genau erklärt. Fest steht: Pompinien ist sehr weit weg, aber verlockend, und irgendjemand, der keinerlei Widerspruch duldet, hat Nola nach Pompinien gerufen. Deshalb weiß Nola auch, dass ein Widerruf ihres vor einiger Zeit gefassten Entschlusses unmöglich ist. Das Licht verlöscht, Musik, dann lassen die Scheinwerfer hinter dem durch das Licht fast verschwindenden Gazevorhang nacheinander drei weitere Räume entstehen. In jedem der Räume befindet sich ein Paar, dem es genauso geht wie Nola und Tanil. Zunächst die Geschwister. Anton (Tino Hillebrand) muss nach Pompinien und seine Schwester Gerda (Christin Schulz) bleibt zurück in dem gemeinsamen Zimmer, in dem sie so viel Spaß hatten. Dann das Liebespaar, Julia (Christina Peschke) und Chris (Felix Freese). Sie verwenden dieselben Worte wie Nola und Tanil, doch sie stehen in einer anderen Beziehung zueinander, weshalb vieles eine andere Qualität bekommt. Zuletzt die Schulfreundinnen Biene (Annika Homann) und Marie (Nadja Obsivac). Marie hat ihren Rucksack gepackt, Biene versteckt ihren Kummer hinter einer Zeitschrift. Ihr Dialog entspricht den Worten des Geschwisterpaares und ist doch ganz anders. In Stückwahl und Inszenierung hat Ina Walter versucht, den Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren entgegenzukommen. Sie durften sich der melancholischen und unwilligen Stimmung hingeben, in der man in diesem Alter gerne versackt und ihre gewohnten Klamotten tragen. Sie durften in der Verhaltenheit ihrer Bewegungen verharren, da die kleinen Räume, die das Licht entwarf und in denen die sich während des gesamten Stückes aufhielten, nicht viel mehr erforderten. So entstand eine gewisse Statik, die durch das zum Kreislauf mit Wiederholungen umgeschriebene Stück noch verstärkt wurde. Die den Spielern aber auch Sicherheit bot, den sie mit einer großer Konzentration und ohne jemals ernstlich zu stocken ausfüllten. Nur Anton, der kleine Bruder, rettete etwas von der Lebendigkeit und Bedenkenlosigkeit der Kindheit hinüber in den Ernst der Pubertät. Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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