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Autorin Zoë Beck im Viktoriagarten: Von der Angst in die Enge getrieben

Wenn Zoë Beck mit ihrer warmen und tiefen, beinahe erotischen Stimme von einer öffentlichen Enthauptung spricht, von politischer Überwachung und Terroristenrekrutierungen, verlieren ihre Worte fast ein wenig an Schrecken. Aber eben nur fast.

Von Sarah Kugler

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Wenn Zoë Beck mit ihrer warmen und tiefen, beinahe erotischen Stimme von einer öffentlichen Enthauptung spricht, von politischer Überwachung und Terroristenrekrutierungen, verlieren ihre Worte fast ein wenig an Schrecken. Aber eben nur fast. Denn die Geschichte, die sie in ihrem aktuellen Roman „Schwarzblende“ erzählt, ist zu nahe an der Realität, als dass sie als einfache Fiktion zu verdrängen wäre. Am vergangenen Donnerstag stellte die Autorin das Buch im Potsdamer Buchladen „Viktoriagarten“ vor.

Beck erzählt darin vom Kameramann Niall Stuart, der unfreiwillig Zeuge eines Mordes wird. Zwei junge Männer greifen einen Soldaten in zivil grundlos an und töten ihn durch Enthauptung. Niall nimmt nicht nur die grausame Szene, sondern auch das folgende Geständnis einer der Täter mit seinem Handy auf. Im Namen Allahs habe dieser die Tat begangen, sein Komplize schwenkt dazu die Flagge des Islamischen Staats. Wenig später erhält Niall den Auftrag, eine Dokumentation über den Fall zu drehen, ahnt dabei aber nicht, dass er mit grausamer Absicht für diese besondere Aufgabe ausgewählt wurde.

Becks Roman, der in einer klaren sachlichen Sprache geschrieben ist, beruht auf einem wahren Fall. Nämlich auf der Ermordung des britischen Soldaten Lee Rigbey durch zwei radikale Islamisten im Jahr 2013. Der Fall habe sie nicht mehr losgelassen, sagte sie bei der Lesung. „Ich habe mir diese furchtbaren Videos angesehen, bin richtig zum Voyeur geworden und musste immer wieder daran denken“, so Beck. Was sie dabei besonders interessiert habe, seien die Beweggründe der Täter gewesen. „Es stellt sich ja sofort die Frage, warum schließen sich junge Menschen freiwillig dem IS an“, sagte sie. „Was geht dabei in deren Köpfen vor?“

Zwei Jahre hat sie dann recherchiert, mit Imamen und Politikern gesprochen, sogar zu ehemaligen Mitarbeitern des Auswertigen Amts hat sie Kontakt aufgenommen. „Und natürlich habe ich mit Jungs gesprochen, die zumindest mal mit dem Gedanken geflirtet haben, sich einer Terrororganisation anzuschließen“, so Beck. Sie sei dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass solche Menschen meist aus zerrissenen Umständen stammen und nicht wissen, wo sie eigentlich hingehören. Dabei entwickelten sie einen solchen Hass auf die Gesellschaft, die sie nicht annimmt und gleichzeitig eine große Sehnsucht nach Gemeinschaft und klaren Regeln, dass sie den Versprechen der entsprechenden Organisatoren leicht erlegen würden, so Beck. Hinzu käme die immer schärfere politische Überwachung, durch die sich Menschen in die Enge getrieben fühlten.

Ihre eigene Recherche lässt sie im Buch den Protagonisten Niall durchlaufen und stellt durch ihn auch die Frage, wie weit Journalismus gehen darf. „Die Macht der Bilder ist schon auch ein großes Thema im Buch“, sagte sie. Schließlich kursierten tatsächlich viele detaillierte Videos des Mordes durch das Internet, bis heute kann der Mord am Bildschirm nachverfolgt werden. Blickt man dabei auf die gegenwärtige Flüchtlingslage und etwa den medialen Umgang mit dem jüngst veröffentlichten Bild des toten syrischen Kindes, ist Becks Buch erschreckend aktuell. Sarah Kugler

„Schwarzblende“, erschienen im Heyne Verlag, 9,99 Euro

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