Kultur: Von der Traurigkeit des Herzens
In der „arche“: Der Publizist und Seelsorger Joseph Overath sprach über „Neiden und beneidet werden“
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In der „arche“: Der Publizist und Seelsorger Joseph Overath sprach über „Neiden und beneidet werden“ Wie der argentinische Autor Jorge Luis Borges vor Zeiten an einer „Geschichte der Niedertracht" schrieb, so beschäftigt den promovierten Kirchengeschichtler, Seelsorger und Publizisten Joseph Overath das Thema „Invidia“. „Neiden und beneidet werden“ ist ja nach Friedrich von Logau „das meiste Tun auf Erden“. Der langbärtige Theologe aus Lindlar war letzten Dienstag nicht zum ersten Male Gast der „arche“, im Mai vorigen Jahres hielt er einen vielbeachteten Vortrag über Donna Cross'' Bestseller „Die Päpstin“. Diesmal standen also die Wurzeln des Neides im Logbuch Noahs, und wie man das Übel abwehren könne. Der Referent behielt es sich freilich vor, sein unausschöpfbares Thema weder in moraltheologische noch in transzendente Offenbarungs-Zusammenhänge zu stellen. Er wollte „unter rein philosophischen Gesichtspunkten“ argumentieren, darin der „natürliche Gott“ gesetzt und das Licht der Vernunft ein sicherer Führer des Menschen sei. Auch diese „bodenständige“ Methodik kam zu ganz bemerkenswerten Ergebnissen: Das lateinische Wort „Invidia“ und das deutsche Wort „Scheelsucht“, wie man dieses Erz-Laster auch nennt, passen gut zueinander. Beide drücken eine Haltung aus, wo ein Neidling nicht nur unfähig ist, „geradeaus auf die Welt der Werte zu blicken“, er kann dem Beneideten auch nicht in die Augen schauen, er schielt ihn quasi „scheel“ von der Seite an. Joseph Overath (170 Veröffentlichungen) definiert den Neid in seinem gleichnamigen Traktat (Verlagsdruckerei Josef Kral) als die „Traurigkeit des Herzens darüber, dass ein anderer Mensch Erfolge hat", doch anders als bei der begehrlichen Habsucht komme es ihm nicht darauf an, das Gut(e) eines anderen an sich zu reißen, er ist zufrieden, wenn jemand das Seinige verliert, Schönheit, Geld oder Freunde. Er begnüge sich damit, „Ruinen zu schaffen“ - Bankrott roter Zahlen, zerstörte Persönlichkeiten, zerrüttete Verhältnisse: „Begehrlichkeit richtet sich auf das Haben, Neid auf das Sein", das ist gut und wahr gesprochen. Folglich ist derselbe immer zerstörerisch und der Liebe genau entgegengesetzt. Ihm fehle „jede Tendenz zum Guten". Sein Ursprung sei eigentlich Hochmut, die Eifersucht, wie es Kain an Abel geschah - das Böse selbst. Er ist kontraproduktiv, also stets gegen etwas gerichtet, dabei frei jeden Mitleids. Fremder Erfolg verletzt das Ehrgefühl des Neidenden tief, er glaubt, selbst zu kurz gekommen zu sein, benachteiligt: Das Wohl des anderen ist seine Herz-Traurigkeit. Deshalb sucht sich die Scheelsucht („Parodie der Sehnsucht") ihre Opfer unter den Erfolgreichen aus, und wie sie auch „moderne Idole aus der Werbung" zu nähren verstehen, so findet sie in sich selbst Befriedigung, wenn ihr ein Werk der Zerstörung gelingt. Ihr Glück ist die ärmliche Schadenfreude, ein anderes hat sie nicht. Sie stellt alle Werte auf den Kopf, ist rundum ruinös, auch für den Neid-Hammel selbst, dem man nachsagt „grün“ zu werden, wenn ihn „die Intention zum Bösen“ packt. Kein Neidender ist schön, und der griechische Himmel als „Versammlung scheelsüchtiger Götter“ war schon den Alten kein Vorbild an vollkommener Sittlichkeit, wie der Theologe im schönsten Rheinländer-Deutsch bewies. Schützen könne man sich gegen die Missgunst durch Weglaufen nicht. Man muß sich damit auseinandersetzen - um letztendlich zu finden, dass in jedem so ein „Schweinehund“ steckt, auch in den Priestern. Weil das göttliche Gericht es aber verbiete, Neid mit Neid zu vergelten („er zieht ja nicht empor"), sei es geboten, sich über ihn „zu erheben“. Er bleibt, aus tiefer Traurigkeit der Herzen, im Endlichen verhaftet und könne Gott als „Quelle aller Sittlichkeit“ nicht beschädigen. Was Overath so nicht sagte: Dass der schönste Engel auch der allererste Neider war, bevor er auf die Erde gestürzt „der Scheelsüchtige“ selbst, als Vater jeder Niedertracht. Gerold Paul
Gerold Paul
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