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Kultur: Von der Wirklichkeit zum Traum

„Reflexionen ins Jetzt“ – Performance suchte Korrespondenz zu den „Königlichen Visionen“

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„Reflexionen ins Jetzt“ – Performance suchte Korrespondenz zu den „Königlichen Visionen“ Augen, soweit die königlichen Visionen reichen, überall Augen. Potsdam, die selbst ernannte „Stadt in der Mitte Europas“, braucht sie. Könige braucht man jetzt nicht. Am frühen Mittwochabend waren sie wieder da, in der „Gewölbehalle“ am Neuen Markt, dem einstigen Kutschstall, darin sich bis Ende März die Preußen-Ausstellung findet - „Königliche Visionen“ in der angeblich „verlorenen Mitte“ der Stadt. Vier Potsdamer Künstler wollten auf ihre Art fortsetzen, was Kurfürsten, Könige und Kaiser Hohenzollernscher Provenienz vor ihnen taten - Träume in Wirklichkeiten verwandeln. Freilich nannten sie ihr genreübergreifendes Gemeinschafts-Projekt „Reflexionen ins Jetzt“, ein „Live-Performance“-Unikat, das sich in Korrespondenz zur aktuellen Sonderausstellung verstand. Mit Licht-und Videosequenzen, Grafik, Klangbildern und erst jüngst entstandener Prosa wagten Udo Koloska, Sven Oswald, Horst Uhlemann und Michael Schenk den ultimativen Brückenschlag in die „königsfreie“ Gegenwart. Trotz dieser Augen. Alles war liebevoll vorbereitet, Trunk und Häppchen standen bereit, um das zahlreich erschienene Publikum post Artem noch etwas verweilen zu lassen; in einer „exklusiven Sonderführung“ nach dem Ereignis konnte das Gehörte und Gesehene dann vertiefen, wer noch wollte. Vielleicht war das auch nötig, denn das Neben- und Nacheinander von vier ganz unterschiedlichen Programmteilen war ohne vorauseilende Zutat nur schwer zu verdauen. Gegenwartskunst bringt den Sinnsucher ob ihrer Rösselsprünge öfters mal in höchste Bedrängnis, auch hier, wo Gedankenarbeit per Titel gleichsam vorgegeben war: Königliche Augen wurden eingangs sehr apart auf die Säulenbögen des Kutschstalls projiziert, indes Udo Koloska einige Sentenzen jazzig auf dem Saxophon blies, Michael Schenk Stimmliches dazugab. Gute Akustik. In einer Videoprojektion rollte dann eine Bildfolge ab, wie sie das Potsdam-Museum als Veranstalter der „Königlichen Visionen" in ihren Prospekten verwenden. Sensible Improvisationen, auch per Klarinette und am E-Piano (Michael Schenk), folgten. Nächste Station dieses Gesamtkunstwerkes (von dem schon Wagner träumte), war eine Lesung. Ohne in das 2002 erschienene Buch „Ich aber bin hier geboren“ des Anklamers Gregor Sander einzuführen, trug Sven Oswald, schneller und fester Stimme, Passagen daraus vor. Der Bezug zum Thema war gar nicht so leicht erkennbar, diese Geschichte spielte in einem Nest an der Nordsee, wo jeder jeden kennt, undsoweiter. Drei Burschen leben da, zwei hübsche Mädchen kommen hinzu. Wenig visionär, der Part. Mit Percussion und Instrumenten dann der bildnerische Teil: Vor dem Hintergrund erneut abrollender Bilddokumente, auch königlicher Augen, zeichnete Horst Uhlemann Konturen dieser Vorlagen auf einer Plexi-Unterlage frei nach, touchierte sie mit Farbe, bis die aufgestellte Leinwand ein Bild zeigte, welches fertig oder unvollendet sein konnte. Ziemlich abstrakt. Was damit nun geschähe? Abwischen, oder auch nicht. Wie man diese Ton-Wort-Bild-Montage auf die „Königlichen Visionen“ hin reflektieren sollte, blieb letztlich unklar. Tun ist ja nie schlecht, was aber, wenn die Zuschauer, mehr im Stehen als im Sitzen, gar nicht die Augen hätten, den Kunstgehalt in pars und toto zu erfassen? Es sah fast so aus, als hätte das Quartett seine eigenen Wirklichkeiten wieder in Träume zurückverwandelt. Gerold Paul

Gerold Paul

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