Kultur: Von Führerwochen
Oliver Polak mit „Jud Süß Sauer“ im Club Charlotte
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Zwischen überdimensionierten Pappaufstellern zweier deutscher Schäferhunde, die um den Hals den Davidstern und auf dem Kopf eine Offiziersmütze der deutschen Waffen-SS tragen, animiert ein leger im Jogginganzug gekleideter junger Mann das kleine Publikum im Club Charlotte zum fröhlichen Mitsingen. Dazu gibt es bunte Luftballons und einen Regen aus Konfetti. Was wie ein heiterer Kindergeburtstag wirkt, ist tatsächlich ziemlich provokant. Auf der Bühne steht am Sonntagabend Oliver Polak, der einzig lebende jüdische Künstler aus Papenburg, wie er sich selbst nennt, mit seiner aktuellen „Jud Süß Sauer“-Show. Den Titel, eine Anspielung auf seinen Vorschlag, bei McDonalds demnächst die Führerwochen anzubieten, findet er gelungen. „Juden geben Gas“, sagt er, käme weniger gut.
Anfangs ist Oliver Polak etwas irritiert. Das Potsdamer Publikum scheint sich ein wenig von dem der Berliner Scheinbar, seiner Stammbühne, zu unterscheiden. Die Reaktionen fallen eher verhalten aus, denn möglicherweise hatten die Gäste einen etwas subtileren Humor erwartet. Da waren sie bei Oliver Polak allerdings an der falschen Adresse. Er ist eher der Mann fürs Direkte, der sich um politische Korrektheit nicht schert und die Dinge beim Namen nennt. Er scheint keinerlei Scheu zu kennen, und so fallen an diesem Abend außergewöhnlich oft die Worte Holocaust und Hitler, natürlich immer im politisch unkorrektesten Sinne. Oder ist dieser offene Umgang mit der Historie vielleicht eine therapeutische Maßnahme? Erstaunlich auch die Verknüpfungen zum aktuellpolitischen Geschehen! Oliver Polak lässt durchklingen, dass es, wäre es bei der Deutschen Bahn vor 70 Jahren zu den momentanen Unregelmäßigkeiten gekommen, den Holocaust vielleicht nie gegeben hätte. Eine interessante Spekulation, die einen eher schlucken, denn fröhlich lachen lässt.
Allerdings kann Oliver Polak auch über sich selbst lachen und nimmt nicht nur Adolf und seine Mannen auf äußerst makabere und gewöhnungsbedürftige Weise auf die Schippe, sondern auch die Eigenheiten seiner jüdischen Mitmenschen. Von jüdischem Geiz ist die Rede und vom gefürchteten Ergeiz und der übergroßen Liebe der eigenen Mutter. Überhaupt fragt man sich den ganzen Abend, wie viel Oliver man jetzt eigentlich wirklich bekommt. Im Nachwort seines gerade erschienenen Buches „Ich darf das, ich bin Jude“, aus dem er an diesem Abend immer mal wieder eine Geschichte einflicht, gesteht er einen starken autobiografischen Bezug ein. Aber soll man nun glauben, dass seine Mutter wirklich mit ihm die Schulbank gedrückt hat, um ihrem Sohn immer möglichst nah zu sein? Eine skurrile Vorstellung.
Gut, dass es der Junge schlussendlich doch zu etwas gebracht hat. Der Erfolg seiner Bühnenauftritte und die Beachtung in den Feuilletons der großen Zeitungen beweisen es. Sogar das bekanntermaßen schwierige Potsdamer Publikum konnte Oliver Polak am Ende noch für sich gewinnen. Bleibt zu hoffen, dass die Mädels in der ersten Reihe seine erotischen Avancen gut weggesteckt haben und die 40-jährige, Zahnspange tragende Ergotherapeutin im Publikum, die Polak an diesem Abend auf dem Kieker hatte, auch nicht länger schmollt. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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