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Von Peter Buske: Von innerem Leuchten erfüllt Bachs h-Moll-Messe

in der Erlöserkirche

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„Das Wesen der h-Moll-Messe ist ergreifende Erhabenheit“, schreibt der Bachbiograph Albert Schweitzer. „Gleich bei dem ersten Akkord des Kyrie wird man in die Welt der großen und tiefen Gefühle entrückt und verlässt sie nicht wieder bis zur Schlusskadenz des Dona nobis pacem.“ Dieses 1748 fertig gestellte Opus summum, das sich wegen seines spirituellen Ausdrucks weder für die katholische noch protestantische Liturgie eignet, stilkundig wiederzugeben, stellt an Ausführende wie Hörer enorme Anforderungen. Ist doch in diesem Bachschen Werk alles zu höchster Meisterschaft vollendet, was die Jahrhunderte zuvor an musikalischen Möglichkeiten ihm überliefert haben. Man muss darum wissen, will man Idee, Form und Inhalt, das Innige wie das Glanzvoll-Prächtige gleichermaßen überzeugend ausdrücken.

Das auf historischen Instrumenten musizierende Concerto Brandenburg und das Consortium musicum Berlin – an der Musikschule Charlottenburg-Wilmersdorf beheimatete Sangesgemeinschaft semiprofessioneller Laien – stellte sich am Samstag in der Erlöserkirche unter Leitung von Michael Betzner-Brandt dieser Herausforderung. Wie der knapp vierzigköpfige, in den einzelnen Stimmgruppen zahlenmäßig ausgewogen besetzte Kammerchor seine Energie in die erste „Kyrie“-Anrufung bündelt, verheißt für das Kommende pausenlose Spannung. Schmerzliche, geschärfte Instrumentalklänge, in ruhevoll einherschreitendem Metrum ausgebreitet, garantieren vom ersten Takt an jene enorme Intensität. Markant skandieren die nacheinander eintretenden Chorstimmen die erste Silbe des „Kyrie“, ehe alles in einen warm getönten, weich klingenden, gleichmäßig fließenden Melodienstrom mündet. Doch bei aller Getragenheit findet sich nirgends die Spur von Sentimentalität. Dafür herrschen Klarheit, Lebendigkeit und Innigkeit vor.

Die Klangbalance zwischen Chor und Orchester erscheint durch deren ausgewogene „Mannschaftsstärke“ geradezu perfekt. Die Intonation beider Klangkörper zeigt sich ohne Fehl und Tadel, der Zusammenklang überaus homogen. Nirgends wird forciert, selbst nicht in strahlenden, von Pauken und Trompeten begleiteten Jubelpassagen, wie sie etwa das glanzvolle „Gloria“ reichlich bereithält. An der ausgewogenen, mit Gefühl nicht sparenden Aufführung haben das Basso continuo mit Truhenorgel und Violone sowie Solisten von Concerto Brandenburg (Violine, Posaune, Traversflöten, Oboe) erheblichen Anteil.

Beim fortwährenden Durchforsten der kontrapunktischen Verflechtungen und harmonischen Verstrickungen machen auch die Solisten eine gute Figur. Es ist ein Gespann lyrischer, zueinander passender, uneitler, mühelos intonierender Stimmen – mit Freundlichkeit in den Kehlen und im Mienenspiel. Vom „Qui sedes“ bis hin zum „Agnus Dei“ verströmt der Alt von Regina Jakobi unangestrengt die anrührendste Innigkeit und Legatoseligkeit. Ihr Timbre verbindet sich bestens mit dem von Sopranistin Katharina Hohlfeld, wovon die Duette „Christe eleison“ und „Et in unum Dominum“ künden. In ihrem Lobgesang „Laudamus te“ scheint des makellosen, von innerem Leuchten erfüllten Gesangs kein Ende.

Solche Art des Singens bevorzugt ebenfalls Daniel Sans (Tenor), der sein „Benedictus“-Solo lyrisch, leicht und innig anstimmt. Im Gegensatz zu den „glatten“ Stimmen lässt Jonathan de la Paz Zaens seine Bass-Arien eher kräftig, ein wenig „angeraut“ ertönen. Nach ergriffenem Schweigens durchtost Beifall die Kirche.

Peter Buske

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