Kultur: Von sanft bis schrill
Ching Chong Song im „nachtboulevard“
Stand:
Dieser Montagabend war wirklich wunderbar schräg! Es fing schon mit dem Bandnamen an. Eene, Meene, Miste, Schnick, Schnack, Schnuck, Ching Chang, Chong? Nein! Ching Chong Song nennen sich die beiden Musiker Julia LaMendola und Dan Gower aus New York, denen der „nachtboulevard“ des Hans Otto Theaters hier für eineinhalb Stunden seine Bühnenbretter zu Verfügung stellte. Ein Bandname, der nach einem gemeinsamen Abend mit jeder Menge Alkohol und Spaß klingt. Ein Abend, bei dem man, ein wenig im Spaß, herauszufinden versucht, womit man denn für die nächste Zeit seinen Lebensunterhalt verdienen könnte. Um sich dann ganz spontan, wie mit dem Abzählreim Ching Chang, Chong, für die eigene Band zu entscheiden.
Dass die Gründung dieser Band ganz so willkürlich nicht entstanden sein kann, muss als Theorie allerdings dringend widerlegen, wer am Montagabend die Show der beiden Künstler miterleben durfte. Zwar kokettieren Ching Chong Song sehr mit dem Genre des Trash, welches erst einmal wenig Ernsthaftigkeit suggeriert und alles erlaubt. Aber ihre musikalischen Fähigkeiten kann ihnen niemand abstreiten.
Julia, im Kleinmädchenoutfit mit Glitzerturnschuhen, beherrscht stimmlich das Reportoire von sanft bis schrill, spielt hingebungsvoll auf ihrer Ukulele und lässt professionell die Säge singen. Ihre Performance ist so hinreißend wie naiv, herausfordernd und selbstbewusst. Es gleicht einem Schauspiel, als sie während eines Songs das Wort „Lord“ immer wieder ganz tief aus sich herausholt und es durch ihren Körper rollen lässt, bevor es seinen Weg ins Publikum findet. Sie fühlt sich sichtlich wohl in dieser Wohnzimmeratmosphäre zwischen Klavier, Couch und tapetenbezogener Wandrequisite, das Publikum angenehm überschaubar und der Sound erfreulich klangvoll. Da lässt sie sich schon mal zu einer Liebeserklärung an die Gäste hinreißen, der ein ungenierter kleiner Rülpser ins Mikrofon folgt. Dan am Klavier steht ihr in nichts nach, wirft provozierende Blicke in den Saal, gibt die zweite Stimme, die erstaunlich gut klingt so aus der zweiten Reihe, die sich mal nach vorn drängt und mal überraschend gefühlvoll und sanft im Hintergrund bleibt.
Abgerundet wird diese Performance durch einen Special Guest, den Julia als Danny vorstellt. Besagter Danny schlängelt sich, mit Strumpfhose über Kopf und Armen, nur bekleidet mit Unterhose und Unterhemd, auf die Bühne, rekelt sich wie eine Katze auf dem Sofa, meditiert über die eigenen Bewegungen und vollführt schließlich einen seltsamen Tanz auf der Bühne, der gleichzeitig an Yogaübungen und anheizenden Tabledance erinnert. Der Zuhörer wird zum Zuschauer und und kann sich kaum entscheiden, wem er dort vorn auf der Bühne zuerst seine Aufmerksamkeit schenkt. Als sich plötzlich das Geschehen von der Bühne in den Zuschauerraum verschiebt, ist der angesprochene Gast vorn in der ersten Reihe kurz sprachlos. Julia hatte sich für ihre sensationell lange Zehn-Tages-Tour vorgenommen, ihre Gäste nach ihren Superkräften zu befragen.
Schade, dass der junge Mann so schnell keine Antwort parat hatte. So wird er wohl nicht in das scherzhaft angekündigte Buch kommen, in dem Julia und Dan die zusammengetragenen Superkräfte versammeln wollen. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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