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Kultur: Von Trost und Wahrheit

Zweite „Dornenzeit“-Station in der Friedenskirche

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Von Aschermittwoch bis Karsamstag befinden sich Christen in der Fastenzeit. Wochen ohne eingeschliffene Gewohnheiten, stattdessen die Möglichkeit, die Routine des Alltags hinterfragen zu können. Vielleicht auch wieder zu entdecken, worauf es einem wirklich ankommt. Nachdenken ist also angesagt in diesen Tagen. Mit Musik und Texten zur Passion lässt sich solcher inneren Einkehr nahekommen.

Unter dem Titel „Dornenzeit“ laden Friedenskirchengemeinde und Stadtkirchenpfarramt auch in diesem Jahr zu fünf musikalisch-literarischen Begegnungen ein. Als optischer Fingerzeig ist vor dem Altarraum eine symbolische Dornenkrone aufgestellt, gewunden aus vertrocknetem, stachligem Rosenreisig.

Von dem abgekarteten Spiel, mit dem Jesus aus der Welt geschafft werden sollte, berichtet der Evangelist Johannes, die Geschichte ist bekannt: Pontius Pilatus nahm sich des Gefangenen Jesus an, verhörte ihn, was zu einem – man kann es durchaus so nennen – dialektischen Disput führte. Was er getan habe, so Pilatus. Und Jesus antwortete: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Er sei dazu geboren und in die Welt gekommen, um die Wahrheit zu bezeugen. Pilatus zu ihm: „Was ist Wahrheit?“

Mit diesen Begegnungen beschäftigte sich die zweite Station der „Dornenzeit“, die sich erneut als eine gedankenvolle Mischung aus Bibelwort, meditativer und trostspendender Musik sowie dazu passenden Auszügen aus dem Briefwechsel von Helmuth James Graf von Moltke mit seiner Frau Freya erwies. Ausgewählt hatten die Textstellen die beiden Vorleser, der Organist Joachim Walter und Pfarrer Simon Kuntze.

In diesen Abschiedsbriefen nahm der gläubige Graf von Moltke, der zum Kreisauer Kreis der Hitler-Verschwörer gehörte, durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt worden war und am 23. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde, Abschied vom Leben. Er bereitete seine Frau Schritt für Schritt auf die bevorstehende endgültige Trennung vor: „Mein Glück ist groß, dass ich dich noch habe“, schrieb er, und: „Ich hoffe auf die Sonne der göttlichen Gnade.“ Pfarrer Simon Kuntze las diese bewegenden Texte mit jenem schlichten Tonfall, der umso eindringlicher wirkten.

Für die dazu passenden, höchst ausdrucksstarken Klänge war neben dem Organisten auch Geiger Wolfgang Hasleder zuständig. In ihrem tröstlichen Gestus offenbarte sich eine Fülle erstaunlicher Zwischenfarben und Nuancierungen, die Herz und Verstand gleichermaßen zu rühren verstanden.

So die romantische Empfindungen verbreitende „Tröstung“ von Paul Gläser und die melodienselige „Aria“ von Karl Goldmark, beide für Violine und Orgel. Und auch Franz Liszts gedeckt gefärbte und schwebende „Consolations“ für ein Orgel-Solo und den gleichnamigen Tröstungen für Violine vom Zeitgenossen Martin Torp mit ihren doppelgriffreichen, von Bachscher Kontemplation erfüllten und mit minimalmusikalischen Effekten angereicherten Stücken wussten der 45-minütigen Nachdenklichkeit Richtung und Ziel zu geben. Peter Buske

Peter Buske

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