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Konzert: Von wegen Entspannung

Das Potsdamer Pulsar Trio spielte in der „fabrik“.

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Eine Sitar ist zunächst ein optisch beeindruckendes Instrument: eine gigantische Langhalslaute, die zwischen Flügel und Schlagzeug irgendwie deplatziert wirkt. In den europäischen Kulturraum ist die Sitar mithilfe des kürzlich verstorbenen indischen Musikers Ravi Shankar eingedrungen, und vielleicht wurde so etwas Grundindisches am Freitag in der „fabrik“ auch erwartet – ein bisschen transzendentale Entspannung, der Weg ins Nirwana direkt vom Startpunkt Schiffbauergasse. Aber da hatte das Potsdamer Pulsar Trio etwas anderes im Gepäck.

Das begann schon mit der Band, die den Support gab. Hat die etwa keinen Namen? Das sollte sie aber schnell ändern, denn das war schon ein bemerkenswerter Zusammenschluss dreier junger Vollblutmusiker, die sich eines ganzen Kontingents Musikinstrumente bedienten. Gespielt wurde zunächst in der Besetzung Dudelsack, Gitarre und Akkordeon, jedoch ziemlich entfernt von der Folklore europäischer Inseln. Alles ging pausenlos ineinander über, die Dialoge zwischen den Instrumenten ermöglichten es dem Dritten, das Instrument zu wechseln. Alles wirkte verspielt-improvisiert, gleichsam virtuos, manchmal ein zarter Dialog zwischen Querflöte und Akkordeon, wobei die Gitarre im Hintergrund blieb, oder etwas angeregter zwischen Maultrommel und einer quietschgrünen Plastikflöte.

Zwischendurch ein wenig Irritation am Einlass, als die angrenzende Bar Opfer einer Sitzmöbelplünderung wurde: Da bereitete man sich wohl auf ein Sitzplatzkonzert vor. Was aber nicht geplant war. So saß man sich eben etwas im Weg, obwohl einem eher nach Tanzen zumute war.

Das Konzert gestaltete sich nach dem bewährten Rezept, das schon auf dem pressfrischen Album „Erpelparka Suite“ verwendet wurde. Man beginne etwas einlullend-sphärisch und steigere das Konzert in Tempo und Rhythmus von einem leichten Sommerregen hin zu einem Wasserfall. Das Zusammenspiel von Beate Wein am Flügel und Matyas Wolter an der Sitar wurde von einer berauschenden Exaktheit geleitet, als wären beide Instrumente nicht eine Zwangsheirat zweier Kulturen, sondern in einer natürlichen Symbiose verwurzelt. Aaron Christ spielte dazu so gelassen jazzig Schlagzeug, dass man nur die Ohren anlegen konnte. Und Wolter hat seine Hausaufgaben in Indien gemacht: Dem Instrument wurde nicht etwa ein europäisches Antlitz übergeholfen. Es wurde wild und geradezu mitreißend, endete gar in eruptiver Kakofonie, die überhaupt nicht deplatziert wirkte. Und weil es mehr Spaß macht, durften auch zwei Gastmusiker ran: Albumproduzent Kai Mader mit einem Saxofon, das kaum länger als sein Unterarm war, und an der Percussion der großartige – na klar – Ravi aus Kalkutta. Ein bemerkenswertes Konzert! Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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