Kultur: Von wegen Fernsehgartenapplaus
Die überragenden The Mighty Three beim Potsdamer Jazzfestival
Stand:
Die überragenden The Mighty Three beim Potsdamer Jazzfestival Ein wenig Respektlosigkeit kann nicht schaden. Wer dem Publikum allzu sehr um den Bart geht, kriegt schnell die Watsche. Schleimer mögen wir nicht. Von wegen „Ihr seid die Besten“. Derartige Anbiederungen werden rigoros abgestraft, es sei denn, Ironie schwingt mit. Doc Wenz, seines Zeichen Zeremonienmeister, Gitarrist und Sänger von The Mighty Three, würden derartige Worte wohl nie über die Lippen kommen. Er schätzt zwar die Ironie, doch nicht die platte, eher die mit den humorvoll-feinen Stichen. Als „typischen ZDF-Fernsehgartenapplaus“ bezeichnete Doc Wenz die eher zurückhaltenden Ovationen, die ihm und seinen beiden Mitstreitern Reverend Krug und Sir Erwin Ditzner am Mittwochabend im Waschhaus zuteil kamen. Nahmen wir ihm gar nicht übel, wie er da auf seinem Stuhl saß, die Telecaster auf dem Schoß und uns in den Pausen mit derartigen Liebenswürdigkeiten verwöhnte. Denn Wenz ist der Typ, dem man so etwas einfach nicht krumm nehmen kann. Zum Jazzfestival waren The Mighty Three nach Potsdam gekommen und entsprechend sollten Klassiker zu hören sein. Kein Problem für Wenz, auch wenn „The Mighty Three“ eigentlich keinen Jazz spielten. Wurde eben das, was sie spielten als „Klassiker“ verkauft. Ganz tief unten an der Wurzel haben die Drei zugepackt. Versumpfter Mississippi-Blues in Reinkultur, den sie an diesem Abend mit einer Lässigkeit in den Saal hexten, dass einem vor Freude schon nach kurzer Zeit die Haare zu Bergen stehen wollten. Laut und dreckig, das reinste Halleluja auf staubtrockenen Trampelpfaden. Was die drei sonst mit acht anderen Kollegen aus Mannheim zusammen in der Mardi Gras Brass Band entfesseln, wurde für die kleineren Konzerthäuser auf ein akzeptables, deswegen aber nicht minder spielfreudig-tobendes Mittelmaß geschrumpft. Die ganz dunklen Spelunken in New Orleans richteten im Waschhaus an diesem Abend ihre Grüße aus. Wenz ließ seinen verzerrten Blues durch den Verstärker holpern, klagte mit ranzig-rauer Stimme vom „Black devil“ oder dem „Desert heart“. Krug mit von der Leine gelassenen Basslinien, dazu Grandseigneur Ditzner mit einem Rhythmus, der auch noch in die entlegensten Muskeln drang. Der Groove, fett und zäh wie Sumpfschwüle, der sich bedingungslos im Saal breit machte und in jede Pore kroch. Ein oft fröhlicher, dann wieder melancholischer, ständig im Suff getränkter Rumpelblues, wie ihn einst der selige Hound Dog Taylor pflegte und wie ihn derzeit die zwei Haudegen von The Black Keys zelebrieren. Mehr braucht es nicht zum glücklich sein. Es sei denn Zugaben. Von denen mussten The Mighty Three gleich zwei geben. Was sie dann doch überraschte. Ach, was waren wir glücklich. Was man mit ZDF-Fernsehgartenapplaus so alles erreichen kann. Dirk Becker
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: