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Wenn die Musik anfängt zu pulsieren. Beate Wein, Aaron Christ (l.) und Matyas Wolter sind das Pulsar Trio.

© promo

Kultur: Von wegen gegensätzlich

Das Pulsar Trio zeigt auf seinem Debütalbum „Erpelparka Suite“, was musikalisch alles möglich ist

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Als die Eltern von Beate Wein den Vorschlag machten, ahnten sie nicht, was da auf sie zukommen sollte. Ihre Tochter suchte nur nach Räumen für die schon lange geplanten Aufnahmen des Pulsar Trios. Und als die Suche sich immer aufwendiger gestaltete, fragten ihre Eltern: „Warum nicht hier?“

Hier, das ist das Haus der Eltern in Altdöbern, der selbsternannten Perle der Niederlausitz. Hier haben sich Beate Wein, Aaron Christ und Matyas Wolter im vergangenen Jahr für eine Woche zurückgezogen. Doch sie haben im Haus der Familie Wein nicht einfach nur ihre Instrumente ausgepackt und die Aufnahmetechnik aufgebaut. „Wir haben das Haus auf den Kopf gestellt“, sagt Beate Wein.

„Wir haben die Zimmer leergeräumt, der ganze Klimbim meiner Mutter musste raus.“ Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, haben sie die Räume dann auch noch mit Matratzen ausgelegt. „Um sie trocken zu machen“, wie Matyas Wolter sagt. Sprich: kein Hall, somit beste Voraussetzungen für die Aufnahmen von „Erpelparka Suite“.

Hört man die 12 Lieder auf dem Album „Erpelparka Suite“, das die drei Musiker vom Pulsar Trio am morgigen Freitag in der „fabrik“ live vorstellen, fühlt man sich vielleicht wie die Eltern von Beate Wein, als sie zum ersten Mal ihre für die Aufnahmen umgeräumten Zimmer betraten. Das Vertraute ist noch da, gleichzeitig wirkt alles aber auch neu und fremd. Aber schon nach wenigen Augenblicken entsteht da eine Faszination, der man sich nur schwer wieder entziehen kann.

Es ist ein musikalisches Gipfeltreffen der ungewöhnlichen Art, zu dem sich die Musiker im Pulsar Trio zusammengefunden haben. Auf der einen Seite Beate Wein am Klavier, das für unsere Ohren so vertraute Instrument. Auf der anderen Matyas Wolter auf der indischen Langhalslaute Sitar, die für viele von uns so fremd und exotisch klingt. Zwei Soloinstrumente, die scheinbar gegensätzlicher nicht sein können. Und mittendrin Aaron Christ mit seinem Schlagzeug. Da aber Musik eine internationale Sprache ist, kann bei Sitar und Klavier im Grunde nicht von Gegensätzen gesprochen werden. Eher von anfänglichen Missverständnissen. Kommen hier aber Musiker zusammen, die gerade diese Missverständnisse als Herausforderung verstehen, kann ein Dialog entstehen, der dem Zuhörer im wahrsten Sinne die herrlichsten Klangräume eröffnet. Und das Pulsar Trio beherrscht diese Kunst wirklich meisterhaft.

Oft ist es Beate Wein, die am Klavier ein Thema vorgibt. Weniger solistisch, sondern vor allem rhythmisch. Aaron Christ greift das spielerisch auf, treibt das Thema weiter voran, gibt ihm mehr Fundament, um das sich dann das obertönige, schwirrende und zirpende Melodiespiel der Sitar legt, hin und wieder bereichert durch die schönsten Melodiesplitter aus Beate Weins Klavier. Ein paar musikalische Ideen dienen dem Pulsar Trio als Gerüst für das freie Spiel der Improvisation, dem sie sich in jedem ihrer Kompositionen hingeben. So entstehen diese faszinierenden Momente, in denen die Kompositionen fast körperlich werden und wie der schnell rotierende Neutronenstern Pulsar beständig Form und Farbe ändern.

Ihren Anfang nahm diese faszinierende Konstellation recht unspektakulär vor sechs Jahren im Potsdamer Café Fajngold Beate Wein plante eine lange Reise. Sie wollte einfach raus. Nur war sie sich nicht so sicher, wo genau hin. Im Fajngold lernte sie Matyas Wolter kennen, der gerade von einem seiner zahlreichen Aufenthalte in Indien wiedergekommen war, wo er bei dem Meister Subroto Roy Chowdhury in Kolkata Sitar studierte. Später besuchte Beate Wein ihn in Indien. „Ich saß in seinem kleinen Zimmer, hörte ihn spielen und bin fast verrückt geworden, dass ich kein Klavier hatte.“

Zurück in Potsdam trafen sich die beiden bald regelmäßig zum Zusammenspiel. Und aus dem anfänglichen Tasten, den Missverständnissen wurde ein immer besseres Verstehen und musikalisches Miteinander. Über die Empfehlung eines Freundes kam Aaron Christ dazu. Die erste Begegnung verlief dann auch ohne viel Worte. Man verstand sich von Anfang an musikalisch und ließ sich in den Liedern treiben.

Immer wieder haben sich Beate Wein, Aaron Christ und Matyas Wolter dem Publikum gestellt, haben sich sogar als Straßenmusiker versucht. „Die Reaktionen waren fast immer die gleichen“, sagt Beate Wein. Zuerst leichte Verwirrung wegen der ungewöhnlichen Instrumentenverbindung, dann aber ein sich völlig bedingungsloses Einlassen auf die musikalische Reise mit dem Pulsar Trio. „Gerade diese vielen fast schon begeisterten Rückmeldungen haben uns darin bestärkt, das Album aufzunehmen.“

Beate Weins Eltern sind von dem Album „Erpelparka“ sehr angetan. Mehr noch, die chaotischen Zustände und das Ausräumen der Zimmer scheinen sie mittlerweile gar nicht mehr als so problematisch zu empfinden. Auf Beate Weins vorsichtige Frage, wie es denn mit Aufnahmen für ein zweites Album aussehen würde, ob das Pulsar Trio dafür noch einmal nach Altdöbern kommen dürfe, haben sie nur geantwortet: „Gern wieder.“

Das Pulsar Trio stellt sein Debütalbum „Erpelparka Suite“ am morgigen Freitag, 21 Uhr, auf der Bühne in der „fabrik“ in der Schiffbauergasse vor. Der Eintritt kostet im Vorverkauf 8, an der Abendkasse 10 Euro

Dirk Becker

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