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Kultur: Von wegen Leichtigkeit der Jugend

„Zeit deines Lebens“ mit dem Jugendclub des Hans Otto Theaters

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Sie leben also noch, die Götter der eigenen Jugend. Zumindest hängen ihre Bilder auf der Bühne der Reithalle und bilden einen Teil der Kulisse für „Zeit deines Lebens“, das am Donnerstag Premiere feierte. Bob Marley rechts, Mahatma Gandhi links von einer großen Leinwand, auf der die Schattenrisse dreier Figuren zu elektronischer Musik tanzen. Couch, Kühlschrank, Fernseher, ein mit bepflanzten Töpfen angedeuteter Balkon. Auf diesen stürzt sich, aus der Partyszenerie heraus, plötzlich ein junges Mädchen. In ein Tagebuch schreibend gibt sie die Erzählstimme der Geschichte – die Geschichte einer Freundschaft, die bereits in Kindertagen ihren Anfang nimmt. Eine Freundschaft, die vor einer Krise steht, das wird den überwiegend jungen Zuschauern schnell klar. Es gibt hier Heath, Anne und Julius. Seit über einem Jahr wohnen die drei jungen Leute in einer Wohngemeinschaft und was rosarot begann, droht jetzt, zu zerbrechen. An Langeweile und Überdruss. An einem Cocktail aus zu viel Alkohol, zu vielen Videospielen. Auch an der Konstellation, die dazu führt, dass beide Mädchen in Julius verliebt sind und zu Konkurrentinnen werden.

Diese Problematik löst Texter und Leiter des Stückes, der 1990 geborene Michael Enax, selbst ehemaliges Mitglied im Jugendclub des Hans Otto Theaters, schnell auf. Was bleibt, sind nicht definierte oder nicht gelebte Ziele und Wünsche. Während die toughe, etwas burschikose Heath nur im Stillen schreibt, obwohl sie doch Schriftstellerin werden möchte, vertraut Julius den eigenen Talenten nicht – aus der Vergangenheit besitzt er ein Skizzenbuch mit eigenen Versuchen, das ihn an seinen Traum erinnert, Künstler zu werden. Doch Heath und Julius werden blockiert von Ereignissen aus der Vergangenheit. Ein Künstlervater, der von der Mutter, die Bankerin ist, gedemütigt und verlassen wird. Eine übergroße Phantasie, Hänseleien und drangsalierende Mitschüler, und Eltern, die nicht zuhören. Diese Erinnerungen tauchen auf in einer Nacht, in der Anne, die Träumerin, aufbegehrt gegen die Zeitverschwendung und den WG-Stumpfsinn.

Untermalt wird die Szene von leiser Klaviermusik, die die Traumsequenz ebenfalls entschleunigt und das Zeitlupenhafte betont. Dass die Nacht der eskalierten Gefühle wichtig war und sein musste, zeigt anschließend der etwas zu lang geratene Videofilm über die Zukunft von Heath, Anne und Julius, der auch das Stück beendet. Er zeigt Anne glücklich verliebt und Heath auf einer Lesung, von Fans umringt. Nur Julius hat den Sprung aus der Lethargie nicht geschafft und steht für diejenigen seiner Generation, die aufgrund persönlicher Niederschläge und einem Überangebot an Möglichkeiten lieber in der Untätigkeit versinken. Andrea Schneider

Wieder an diesem Sonntag, 19.30 Uhr, Reithalle, Schiffbauergasse

Andrea Schneider

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