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Kultur: Vorlaut und behäbig

Die Schumann-Soiree mit Thomas Wittig

Auch Dichter lieben. Dann schreiben sie Gedichte. Wie der Romantiker Heinrich Heine, der in seinem „Buch der Lieder“ eine eindringliche und poetische Sprache spricht. Da auch Komponisten gelegentlich lieben, greifen sie zu Gedichten und vertonen sie im Überschwang ihrer Gefühle. Wie Robert Schumann, dem Heines sanfte bis düstere Melancholie, dessen zwielichtigen Stimmungsbilder und zerrissenen Gefühle sowie liebesjauchzenden Worttändeleien mit ihren oftmals ironischen Untertönen verwandte Seelensaiten zum Schwingen gebracht haben. 1840, als Schumann endlich seine Jugendliebe Clara Wieck gegen den Willen ihres Vaters heiraten durfte, hat er im selben Jahr sechzehn Gedichte aus Heines „Buch der Lieder“ zu einem Liederzyklus komponiert. Er gab ihm den bezeichnenden Namen „Dichterliebe“. Entstanden ist ein Kleinod seiner Gattung, in dem die Liebe von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt alle Höhen und Tiefen durchschreitet, sich durch Ironie über manchen Schmerz hinweg zu trösten versteht.

Diesen Gefühlsgesang auszudeuten, Hintergründigkeiten zu entdecken und den hinter einer schillernden Maske verborgenen dunklen Trieben nachzuspüren – all das sind Herausforderungen für jeden Sänger. Bassbariton Thomas Wittig wagte sie und bot im Alten Rathaus einen Liederabend, der ganz im Zeichen der diesjährigen 150. Todestage von Heine und Schumann stand. Ach, hätte er diese Hommage doch nur nicht öffentlich vorgetragen – oder sich zuvor beraten lassen, was er seiner Stimme noch zumuten kann und was nicht.

Der Schönheit des poetischen Gedankens vermochte er leider nicht die ihr gemäße Facon zu geben. Kurzum: Thomas Wittig hat mittlerweile Probleme mit seiner einst so geschmeidigen Mittellage. Um diese Schwierigkeit zu kaschieren, setzt er durchgängig auf Forte und mehr. Bereits in einleitenden Liedern nach Goethe, Geibel, Christern und Eichendorff befleißigt er sich eines kraftvollen, gradlinigen Gesangs, dem es an differenzierender Sicht auf die poetischen Stimmungen mangelt. Nachdem diese „Einsingeübungen“ beendet sind, kommt die „Dichterliebe“ an die Reihe. In ihr schlägt er kaum Töne zarter Klangpoesie an, sondern mit Emphase zu. Will er Frühlingsgefühle besingen, mangelt es ihm an Leichtigkeit und Lockerheit. Wo Sentimentales sich unaufdringlich verströmen sollte, wird es aufgesetzt vorgetragen. Was sich munter und wie atemlos vor Liebeswonnen hinplaudern müsste, verbleibt in Behäbigkeit. Die Verlassenheit zeigt sich nicht verinnerlicht, sondern stark vergröbert. Zunehmend stellt sich der Eindruck ein, als habe der Sänger das Gesungene innerlich nicht wirklich durchlebt. Unbekümmert wird über dynamische, klangfarbenreiche und ausdrucksmögliche Differenzierungen hinweg gesungen. Statt Poesie nachzudichten, erzählt Thomas Wittig keinen nahtlos verzahnten Zyklus, sondern einen zäsurenreichen und stimmklobigen Holzschnitt.

Kantig und prosaisch geht es auch nach der Pause zu. Forciert rauscht die „Frühlingsfahrt“ vorüber, singt sich die „Widmung“ unpoetisch aus Thomas Wittigs Kehle. Auch hier zeigt sich, dass dem Sänger die Kunst des Mezza-voce-Vortrags nicht mehr uneingeschränkt zu Verfügung steht. Im Leisen schleift er die Töne von unten an, so dass es ihnen an Sitz und Kontur mangelt, sie ihm dadurch gleichsam zerbröseln. Wie und was soll Pianist Bernhard Opitz da gegenhalten?! Er begleitet wie der Sänger singt: behäbig, vorlaut und weitgehend undifferenziert. Gestalterische Impulse vermag er kaum zu geben. Dem reichlichen Beifall der Fangemeinde danken die Künstler mit Zugaben.

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