Potsdamer Kantorei bittet um Ewige Ruhe: Vorzugsweise undifferenziert und überlaut
Im November häufen sich die säkularen wie sakralen Trauertermine: Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag. Doch wie sie musikalisch ausgestalten?
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Im November häufen sich die säkularen wie sakralen Trauertermine: Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag. Doch wie sie musikalisch ausgestalten? Mozarts „Requiem“ passt immer. Und was noch? Aus weiteren Zutaten, die ebenfalls um Tod, Trauer und Trost kreisen, arrangierte Ud Joffe für sein „Vocalise“-Konzert am Samstag in der Erlöserkirche eine nahtlos ineinanderfließende Abfolge.
Dabei findet eine hebräisch-katholische Singebegegnung statt, die auf transzendentale Sinnfragerei trifft. Als Klangvermittler fungieren das Neue Kammerorchester Potsdam und die Potsdamer Kantorei sowie ein gut aufeinander eingestelltes Solistenquartett. Mit der Uraufführung von „Ashkava“ (Grablegung) des georgisch-israelischen Komponisten Josef Bardanashvili (geb. 1948) beginnt die Beschäftigung mit dem Thema der Ewigen Ruhe. Das Werk bedient sich eines hebräischen Textes aus der Sammlung von Bibelauslegungen, in dem danach gefragt wird: Woher bist du gekommen? Wohin gehst du? Vor wem wirst du dereinst Rechenschaft ablegen? Gestellt werden sie von Kantor Joel Katz, der als Vorsänger singend, psalmodierend und deklamierend die Fragen an die „Gemeinde“ richtet. Als deren Stellvertreter erweist sich die Potsdamer Kantorei, die nach geschärften Klängen von Celli und Kontrabässen auf den sich anschließend ausbreitenden weichen Klanglinien ihren Klagegesang anstimmt. Tritt der Vorsänger in Aktion, begleitet ihn chorischer Vocalisengesang. Eine stimmungsdichte Komposition mündend in ätherischen Erlösungsregionen.
Nahtlos schließt sich Mozarts Totenmesse in d-Moll KV 626 an, dessen Bitte „Requiem aeternam dona eis“ (Ewige Ruhe gib ihnen) überaus lautstark angestimmt wird. Bei der ungefähr 120-köpfigen Klangmasse auch kein Wunder, die auch im weiteren Verlauf gern forciert und sich vorzugsweise in Fortissimobereichen aufhält. Was natürlich am Dirigenten liegt, der dynamische Differenzierungen und gestalterische Nuancierungen meidet wie der Teufel das Weihwasser. Sehr zügig sind die Tempi genommen, durchdringendes und geschärftes Singen unter Hochdruck sein Vorsatz.
Was beim Vortrag der Sequenz „Dies irae, dies illa“ (Tag des Zornes, Tag der Klage) geradezu erforderlich ist, vertreibt die Emotionen von Trostbitten aus den anderen Abschnitten fast vollständig. Der klanglichen Gigantomanie vermögen die Gesangsolisten zu trotzen. Von Posaunenwucht umhüllt, weiß Raimund Nolte bassgewaltig das „Tuba mirum“ anzustimmen. Mit ihrem ausdrucksstarken Alt besteht Regina Jakobi ebenso alle Fährnisse wie die kraftvoll tönende Sopranistin Raffaela Lintl, während der lyrische Tenor Marcus Ullmann doch einige Mühe damit hat. Danach geht es mit Mozart weiter: klanggeschärft, ohne Geschmeidigkeit, in fast völliger Abwesenheit von Zwischentönen. Wie da Ewige Ruhe finden? Peter Buske
Peter Buske
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