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Kultur: Wachsen mit Meisterwerken

Das Collegium musicum musizierte in der Friedrichskirche Schostakowitsch

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Fördern durch Fordern, so lautet eine alte Pädagogenweisheit, an die sich auch der Potsdamer Dirigent und Musikwissenschaftler Knut Andreas hält. Vor kurzem hat er seine Dissertation über Paul Graener in Buchform vorgelegt, fast zur gleichen Zeit mit dem von ihm gegründeten Collegium musicum Potsdam Werke des Komponisten bei einem Sinfoniekonzert in der Babelsberger Friedrichskirche aufgeführt. Wer hat solches in der Landesmetropole sonst noch getan?!

Fördern durch Fordern, unter dieser Prämisse verhilft er seiner engagiert aufspielenden Truppe zu ständigem künstlerischen Fortschreiten. Und zu Erfolgen, die sich in der Region herumsprechen. Mittlerweile sind es um die 65 Amateure und Profis, die sich im Schoße der Heiligen Cäcilie geborgen fühlen. Inzwischen wiederholen sie ihre in der Friedrichskirche vorgezeigten Programme tags darauf in der Heilig-Geist-Kirche in Falkensee. So auch den diesjährigen Saisonstart mit einem Bach-Respighi-Remix und Schostakowitschs 5. Sinfonie op. 47. Die Kirche am Babelsberger Weberplatz ist gut gefüllt.

Zum „Warmlaufen“ gibt es die Respighische Orchesterbearbeitung des Bachschen Choralvorspiels „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ in der Bearbeitung des jungen Konzertmeisters Erasmus Meinerts – getreu der Devise: Doppelt hält besser! Zunächst erklingt die Bach-Melodie im handfesten Orchestersound. In den nachfolgenden Strophen reichert sie sich durch hinzutretende Instrumente an, während die Streicher unermüdlich das Thema spielen. Es tönt zunehmend voluminöser, klangsatter, intonationssauber, gleich bleibend im Metrum und romantisch anschwellend. Wie Orgelklang, dem mehr und mehr prägnante Soloregister hinzugezogen werden, bis alles jubilierend und strahlend im organo pleno endet.

Dann sind intensive Einstimmübungen angesagt, mit denen man sich nicht nur handwerklich, sondern auch geistig auf das Hauptwerk des Abends, Schostakowitschs Fünfte, vorbereitet.

Der Programmhefttext gibt sich erfreulich sachlich und unaufgeregt, stellt das Werk in die gesellschaftlichen Realitäten seiner Entstehungszeit, versieht ein Zitat aus der umstrittenen Wolkow-Biografie mit Fragezeichen, fordert den Leser und Zuhörer zur eigenen Haltung heraus.

Dirigent Knut Andreas setzt, dem folgend, sehr stringent auf den Ausdruck von Zerrissenheit und Zweifeln, konfliktvollem Aufbäumen, sarkastischen Anmerkungen und heroischen Abschnitten bei der „Entwicklung einer sozialistischen Persönlichkeit“, wie dazu der Komponist anmerkte. Kann/muss man es ihm nicht glauben?! Die Musiker tun es.

Fragend beginnt die Klangbiografie, wobei sich zwischen den im Diskant spielenden Geigen und den tiefen Streichern sogleich ein einprägsames Spannungsfeld aufbaut. Das markante Thema lässt der Dirigent groß ausspielen, allerdings gerät die Streicherkantilene etwas spillerig und intonatorisch ungenau. Dagegen gelingen die grellen Kulminationen mit aller gebotenen Klangschärfe. Bei den zahlreichen Dissonanzen vermag man nicht immer zu unterscheiden, was original oder spontane Zutat der Musiker ist. Dennoch treffen sie das Idiom des Komponisten, besonders in den grotesken Marschrhythmen, die manche erblühende Klangpoesie brutal zur Strecke bringen.

Sparsamer Vibratogebrauch erzeugt bei Streicherpassagen einen bisweilen spröden Klang. Da fehlt’s einfach an instrumentaler, sich verströmender Masse. Der Umschwung in den Finaljubel vollzieht sich abrupt, dann lärmt es nur noch euphorisch. Der Beifall auch.

Peter Buske

Peter Buske

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