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Kultur: Wagemutig

Die Kammerakademie durchquerte im Schlosstheater mit draufgängerischem Schritt die Romantik

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Benötigt ein Solist unbedingt neues Repertoire, gibt er es entweder in Auftrag oder lässt sich vorhandenes nach eigenen künstlerischen Intentionen oder pragmatisch-technischen Gesichtspunkten umformen. Für den Cellisten Julius Berger war es Robert Schumanns ein wenig in Vergessenheit geratenes a-Moll-Konzert op. 129 mit der Begleitung eines großen Sinfonieorchesters. Doch wenn ein solches, aus was für Gründen auch immer, nicht zur Verfügung steht? Also transkribierte er das Opus eigenhändig für bloße Streicherbegleitung. Was natürlich unweigerlich zur Veränderung des originalen Soloparts und des gesamten Klangbildes führt.

Gelungen oder nicht? Das war am Sonntag die Frage, als er seine Bearbeitung bei einem Schlosskonzert der Kammerakademie Potsdam im Neuen Palais vorstellte. „Die Romantik, der Schwung “ nannte sich die Werkzusammenstellung, für die passenderweise auch Felix Mendelssohn-Bartholdys fünfte Streichersinfonie auserkoren worden war. Als weitere Zutaten gab es eine bearbeitete Abart der „Pulcinella“-Suite von Igor Strawinsky und sogar noch Joseph Haydns 52. Sinfonie.

Putzmunter und draufgängerischen Schritts quirlt Mendelssohns Jugendwerk vorüber, beflügelt von Peter Reiners konzertmeisterlichen Anfeuerungen. Die Truppe ist im nach vorne offenen Quadrat platziert, sodass sich hohe und tiefe Streicher gegenübersitzen. Mit herrlicher Lockerheit und Präzision spielen sie sich pingponggleich die Bälle zu, spüren völlig unaufgeregt dem der Sinfonie innewohnenden Haydnschen Geist nach. Gefühlvoll singt sich das Andante aus und wie auf dem Sprung wird das finale Presto musiziert.

Dann ist Schumann an der Reihe. Dessen solistischer Werkvermittler nimmt in der Mitte des Bestuhlungsquadrats Platz. Gleichsam thronerhöht nimmt er nach drei watteweichen Akkordschlägen der Streicher das (Bogen-)Zepter in die Hand. Das kantable Singen auf einem äußerst raren Amati-Instrument aus dem Jahre 1566 kann beginnen. In der Tenorlage klingt es weich und innig, in der Tiefe sehr sonor. Mit kräftigem Bogenstrich forciert Julius Berger die erforderliche Klangfülle. Und immer wieder zeigt der Solist seine extrovertierte Seite vor und macht immer wieder vergessen, dass im Original Solopart und Orchester eng verbunden sind.

Stattdessen streicht er sich in den Vordergrund, pendelt nicht immer sauber und präzise zwischen Kraftmeierei und lyrischer Versenkung. Die fehlende Vielfarbigkeit und der damit verbundene Kontrast machen sich durchaus bemerkbar und gehen damit an die Substanz des Werkes.

Worin die künstlerische Notwendigkeit der Bearbeitung besteht? Eine Frage, die man sich auch für die von KAP-Oboist Jan Böttcher verfertigte Transformierung der Strawinskyschen „Pulcinella“-Noten in eine Suite concertante für Violine (Peter Rainer), Violoncello (Julius Berger) und Orchester stellen kann. Hier können die beiden Solisten mit virtuoser Saitenarbeit brillieren, orientiert sich Vielfarbigkeit und rhythmische Variabilität des Orchesters erfreulicherweise am „schrägen“ und klangspitzen Originalton Strawinskys. Nicht weniger Hörvergnügen bereitet die tempozügige, kontrastberstende und mit harmonischen Schärfen nicht geizende Deutung der Haydn-Sinfonie zwischen bärbeißigem Charme und wiegender Eleganz, wispernder Geläufigkeit und finalem Taumel. Bravourös! Peter Buske

Peter Buske

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