Kultur: Waldeinsamkeit
Romantischer Abend mit neuer Musik und Führung im Schloss und Park Babelsberg
Stand:
„Ich floh in die grüne Waldeinsamkeit“ Man möchte Heine, dem alten Spötter, schon misstrauen, wenn aus seiner Feder derartige Worte fließen. Wäre er Ludwig Tieck, so hielte man dies für eine jener romantisch-tiefempfundenen Herzensergießungen und versenkte sich ganz darinnen. Aber dafür steht Heine nicht unbedingt. Und das macht ihn so zwiespältig, lässt ihn stets ironische Distanz wahren. Und das lieben wir ja letztlich an ihm. Wie nun aber geht damit ein heutiger Komponist um? Zumal inspiriert von einem verborgenen Gartenkunstwerk, das heutigentags allerdings eher die Fantasie dem geistigen Auge erschaffen muss, denn es wahrhaftig zu sehen ist?
Antwort gab ein Abend der Reihe „Die Entdeckung der Langsamkeit“ im Rahmen von „Preußisch Grün“ der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten im Babelsberger Park. Freilich verwehrte Petrus vehement einen romantischen Sonnenuntergang und ließ dicke Tropfen vom Himmel fallen, so dass man den musikalischen Teil in den Tanzsaal verlegte – was nicht die ungünstigste Fügung für die zur Uraufführung gebrachten feingliedrigen Werke des Berliner Komponisten Thomas Hennig gewesen sein dürfte.
Zwei Auftragswerke rahmten das abendliche Programm, das von der Sopranistin Eva Lebherz-Valentin, dem Flötisten Ralph Tröpsch und dem Sprecher Steffan Drotleff in sensibel-abgestimmter Weise interpretiert wurde. Beginnend mit „Waldeinsamkeit“ auf den Text Heinrich Heines, der dem Sprecher vorbehalten war und in den immer wieder vom Sopran jene letzte Waldeinsamkeits-Strophe elegisch, mit schönem melodischem Bogen eingeworfen ward, die Tieck in seinen „Blonden Eckbert“ eingewobenen hat. Die variantenreichen Kommentare der Flöte, die unterschiedliche Kombination von instrumentalem, vokalem und Sprecherpart gestalteten bewusst ein Changieren zwischen melancholischer Attitüde und ironischem Belächeln, das erst seinen Abschluss fand in der elegischen Vokalise des Soprans am Ende des Stücks.
Als zweite Uraufführung erklangen die „Sonnenschein-Geschichten“ nach Hans Christian Andersen, in denen der wundersame Schwan sich ebenfalls in „Waldeinsamkeit“ ausruht auf „stillen dunklen Seen“. Hier hat Thomas Hennig in amüsanter Weise die abwechslungsreich vorgetragenen Geschichten des Sprechers vom arg gelangweilten Regenwetter-Sopran und Wind-Flötisten kommentieren lassen und mit der überraschenden Einfügung der Tieckschen Strophe aus seinem ersten Werk einen sensiblen Bogen für den ganzen Abend hergestellt.
Zuvor konnte man Ausschnitten aus dem „Klang der Honigbiene“ für Sopran und Pikkoloflöte lauschen, entstanden 2007 in Brasilien und neben lautmalerischen Vokalisen mit spanischen Texten versehen vom Komponisten selbst.
Die Mischung aus nachahmendem Stimmgeräusch, Vokalise, Sprechgesang und Sopranmelismen mit dem weiten Ausloten möglicher Klänge und Geräusche des Instruments ließ eine hübsche Bienen-Miniatur entstehen, löste nichtsdestotrotz beim Publikum teilweise erheitert-ratlose Unruhe aus, die ein wenig eingefangen wurde durch das amüsierende Wiedererkennen eines Kinderliedes, das allerdings im Flötensolo sogleich frei variierte. Auch hier eine überzeugende Interpretationsleistung.
Die zahlreichen Besucher waren zuvor gut eingestimmt worden durch die informativen Entdeckungstouren mit Anne-Grit Reichelt und Karl Eisbein vom Schloss hinauf zum Schwarzen Meer, eben jenem Babelsberger „See in der Waldeinsamkeit“.
Dass dennoch der musikalische Teil eine weniger romantisch empfundene Herausforderung wurde, liegt am minder Vertrauten mit moderner Musik, zumal im historischen Ambiente der Hohenzollern-Könige. Umso mehr ist hier die Stiftung zu bestärken, in dieser Richtung weiter zu agieren.
Christina Siegfried
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