Kultur: Waldverwandschaft
Ein Abend über Oskar Loerke im Huchel-Haus
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Es gibt da diese zwei Zeilen: „Es knackt im Holz / Ein alter Wald geht durch das Haus.“ Zwei Zeilen aus dem Gedicht „Der Wald der Welt“ von Oskar Loerke. Es sind nur elf Worte. Doch die können wirken wie eine Einladung, wie eine Tür, die nur geöffnet werden muss, um den Kosmos eines Dichters zu betreten, der schon fast vergessen schien.
Die Möglichkeit, dieser Einladung zu folgen und den Dichter Oskar Loerke kennenzulernen, geboren 1884 bei Schwetz, dem heutigen polnischen Wiag, und gestorben 1941 in Berlin, besteht am morgigen Samstag im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus, wohin Hausherr Lutz Seiler und der Schauspieler Hans-Jochen Röhrig zu einer Lesung einladen. Der Abend trägt als Titel den des schon erwähnten Gedichts: „Der Wald der Welt.“
Die Natur, der Wald, das sind die Grundtöne in der lyrischen Melodie von Oskar Loerke, das wiederkehrende Motiv in seinen Sprachbildern. Loerke, der zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Lyrik des 20. Jahrhunderts gezählt wird, wäre wohl wirklich schon längst vergessen und nur noch ein paar Liebhabern und Wissenschaftlern bekannt, wenn es nicht den Göttinger Wallstein Verlag gäbe. Ihm ist zu verdanken, dass dieser vielseitige Schriftsteller auch heute noch entdeckt werden kann. Gerade sind in einem schlichten, gleichzeitig hochqualitativen Doppelband sämtliche Gedichte von Oskar Loerke erschienen, denen Lutz Seiler einen ausführlichen Essay vorangestellt hat. Dieser Doppelband wird am morgigen Samstag im Huchel-Haus vorgestellt.
Wer Seilers sehr persönlichen Essay über Oskar Loerke liest, begibt sich in vertrauensvolle Hände. Denn hier spricht einer vom Fach. Einer, der mit seinem kürzlich erschienenen Gedichtband „im felderlatein“ wieder einmal deutlich gemacht hat, dass er zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Lyrik der Gegenwart gezählt werden muss. Loerke wie Seiler verbindet die Natur, die immer wieder Grundierung für das Tiefe, weithin Greifende in ihren Gedichten ist. Und da Seiler weiß, dass die Sprache und der Klang, der Rhythmus und die Melodie in der Lyrik von Oskar Loerke für den heutigen Leser oft fremd, im schlimmsten Fall gar antiquiert erscheinen müssen, nimmt er den Leser in seinem Essay mit auf die persönliche Entdeckungsreise. Lässt ihn über seine Schultern schauen, wenn er Loerke immer wieder liest, sich anfangs nur an Klang und Melodie berauscht, so nicht das Verstehen in den Vordergrund stellt und sich Notizen macht zu den Gedanken, die ihm beim Lesen dieser Gedichte durch den Kopf gehen.
Manchem mag diese Art des Lesens befremdlich erscheinen. Doch ist sie eine wundervolle Einladung und wirkungsvolle Art, in die lyrische Welt von Oskar Loerke einzutreten. Und es dauert nicht lang, dann trägt man einzelne Zeilen im Ohr und lauscht immer und immer wieder nur auf ihren Klang: „Wie durch schwere Zauberbücher / Las mein Auge durch den Tann ...“ Dirk Becker
Lesung am morgigen Samstag, 20 Uhr, im Wilhelmshorster Peter-Huchel-Haus, Hubertusweg 41. Eintritt 5, ermäßigt 4 Euro. Reservierung unter Tel.: (033205) 62 9 63
Dirk Becker
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